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Katastrophenmacher des Tages
Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari hat am Mittwoch die Welt aufgerufen, ihm bei der Handhabung einer „humanitären Katastrophe“ zu helfen, die er selbst veranlasst hat: das Elend der Flüchtlinge im Nordwesten seines Landes, wo seine Streitkräfte Krieg gegen die Taliban führen. „Die Zivilisten verlieren ihre Ernten, sie verlieren ihr Einkommen, ihre Lebensgrundlage und ihre Wohnungen“, klagte der wegen seiner Gier und Korruptheit als „Mr. 10 Prozent“ bekannte Politiker.
Aber über Pakistan ist nicht etwa eine unvorhersehbare und unabwendbare Naturkatastrophe hereingebrochen. Sondern die systematische Entvölkerung der Kampfgebiete ist schon seit Monaten Teil der US-amerikanisch inspirierten „Counterinsurgency“ in den pakistanischen Stammesgebieten. Seit Anfang Mai sind nach UN-Angaben 670.000 neue Flüchtlinge registriert worden. Pakistanische Militärs sprachen am Mittwoch von 800.000 in den letzten elf Tagen geflüchteten Zivilisten. Aber schon vor der jetzigen Offensive wurde die Zahl der ihrer Heimat und ihres Besitzes Beraubten auf rund eine Million geschätzt.
Wie produziert die pakistanische Regierung eine solche humanitäre Katastrophe? Indem sie ortsweise oder gebietsweise anordnet, dass alle Bewohner in einer Frist von wenigen Stunden ihre Behausungen verlassen müssen, wenn sie nicht riskieren wollen, von Bombenflugzeugen und schwerer Artillerie getötet zu werden. Indem sie kurzerhand Strom, Gas und Wasser abstellen lässt. Indem sie unberechenbar tagelange Ausgangssperren verhängt, sodass die Menschen sich nicht mehr mit Lebensmitteln versorgen können, und dann plötzlich wieder Fluchtwege freigibt.
Die Katastrophe wird noch viel größer werden. Denn bisher führt die Regierung nur in wenigen Bezirken des Nordwestens Krieg. Insgesamt jedoch leben in dieser Region 25 bis 26 Millionen Menschen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 14. Mai 2009