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Gezielter Mord
Die US-Regierung lässt töten und entführen, um Friedensgespräche in Pakistan und Afghanistan zu torpedieren.
Die pakistanische Regierung hat die gezielte Ermordung des Taliban-Führers Hakimullah Mehsud durch eine US-Drohne als „Angriff auf den Friedensprozess“ verurteilt und eine Überprüfung der Beziehungen zwischen beiden Staaten angekündigt. Erste Entscheidungen werden von einer Sitzung des Kabinettsausschusses für Nationale Sicherheit erwartet, die in den allernächsten Tagen stattfinden soll.
Der etwa 33- bis 35jährige Mehsud wurde am Freitag getötet, als ein unbemannter Flugkörper mehrere Raketen auf sein Auto abschoss. Alle Insassen, nach unterschiedlichen Angaben fünf oder sieben, wurden zur Unkenntlichkeit zerfetzt und verbrannt. Mehsud hatte im August 2009 die Führung der bedeutendsten pakistanischen Taliban-Organisation TTP übernommen, nachdem die USA seinen Vorgänger ebenfalls mit Hilfe einer Drohne ermordet hatten. Mehsud und seine Begleiter wurden getötet, als sie auf der Fahrt zu einer Versammlung von etwa 25 Kommandeuren und Stammesältesten waren, auf der über Friedensverhandlungen mit der Regierung beraten werden sollte. Einen Tag später sollten drei Geistliche im Auftrag der Regierung nach Nordwasiristan fliegen, um Mehsud zu treffen.
Dass die US-Regierung entschlossen ist, Friedensgespräche mit Allen Mitteln zu verhindern, hatte sie im Oktober auch schon in Afghanistan demonstriert: Dort ließ sie einen Militärkonvoi überfallen, um einen hochrangigen Mitarbeiter des TTP-Chefs, Latif Mahsud, gefangen zu nehmen. Mahsud war zu Verhandlungen nach Afghanistan gekommen und befand sich unter dem Schutz des afghanischen Geheimdienstes.
Premier Nawaz Sharif hatte dem US-Präsidenten Barack Obama am 23. Oktober persönlich die Bitte vorgetragen, die Drohnenangriffe gegen Pakistan zu beenden. Obama hatte dazu bei der anschließenden Pressekonferenz nur hohle Phrasen geäußert. Die Ermordung Mehsuds am Freitag war bereits die zweite gezielte Tötung seit dem Besuch von Nawaz im Weißen Haus.
Der Führer der oppositionellen PTI, Imran Khan, forderte die Regierung am Freitag auf, sofort den Militärnachschub für den NATO-Krieg in Afghanistan zu stoppen, und drohte anderenfalls eigene Maßnahmen an. Die PTI regiert seit Juni die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, durch die der größte Teil des Nachschubs transportiert wird.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 4. November 2011