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Viel Lärm um nichts
Iranische Museumsschiffe sorgen für Tumult in Israel. Präsident Peres sieht „Gefahr für die gesamte Welt“.
Die zwei aufregendsten Schiffe der Welt liegen seit Mittwoch im syrischen Hafen Lattakia vor Anker. Zuvor hatten die iranische Fregatte Alvand und das Versorgungsschiff Kharg am Dienstag den Suez-Kanal passiert. Angeblich war es die erste Fahrt iranischer Kriegsschiffe durch den Kanal seit der „islamischen Revolution“ von 1979. Eine rechtliche Handhabe, den Iranern die Passage zu verweigern, hätte Ägypten allerdings auch in den vergangenen Jahren nicht gehabt. Ohnehin wird der künstliche Seeweg ständig von Kriegsschiffen aller Nationen, darunter auch Israel, genutzt. Der zionistische Staat schickte zuletzt im Juli 2009 ein vermutlich mit Atomraketen bewaffnetes U-Boot durch den Kanal und gab als Ziel ganz offen und herausfordernd den Persischen Golf an.
Das hinderte die israelische Regierung selbstverständlich nicht, jetzt um die beiden iranischen Schiffe ein paar Tage lang einen riesigen Propagandarummel zu machen. Außenminister Avigdor Lieberman klagte die ganze Welt der Untätigkeit an und drohte, die internationale Gemeinschaft müsse endlich begreifen, „dass Israel diese Provokationen nicht ewig ignorieren kann“. Präsident Schimon Peres strapazierte ein beliebtes zionistisches Agitationsmuster, indem er freimütig einräumte, dass die Schiffe „keine Bedrohung für unsere Region“ seien, und gleich hinzufügte: „Aber die wirkliche Drohung, deutlich wie ein Warnlicht, richtet sich gegen Europa und die gesamte Welt. Iran enwickelt Atomwaffen, und wenn diese in die Hände von Terrorgruppen oder Irans Verbündeten fallen, dann werden sich die europäischen Hauptstädte in tödlicher Gefahr befinden.“ - Irgendeine Logik oder gar einen sachlichen Zusammenhang mit dem wirklichen Ereignis sollte man in diesem Unsinn, den der 87jährige Peres von seinem Büro an die Presse verteilen ließ, gar nicht erst suchen.
Dagegen brachte Regierungschef Benjamin Netanjahu die israelischen Bauchschmerzen klar und pragmatisch auf den Punkt, indem er die eigentlich völlig uninteressante Schiffspassage in den größeren Zusammenhang der Volksaufstände in vielen arabischen Ländern brachte: Der Vorgang zeige, „in was für einer instabilen Region wir leben, in einem Gebiet, in dem der Iran Vorteile aus der entstandenden Lage zu ziehen und seinen Einfluss auszuweiten versucht“. Israel wisse nicht, was demnächst in seinem Westen (Ägypten) und in seinem Osten (Jordanien) passiert und welchen Weg ein eventueller Palästinenserstaat gehen würde. Damit sei Friedensverhandlungen der Boden entzogen. Einzige sichere Schlussfolgerung: Israel muss dringend seine Militärausgaben erhöhen.
Um ein Schiff wie die jetzt in Lattakia liegende Fregatte Alvand zu sehen, müsste man in Deutschland vermutlich ein Marinemuseum besuchen. Das in Großbritannien gebaute Schiff ist seit 1968 in Dienst, langsam und schwach bewaffnet. Das Versorgungsschiff Kharg lief 1977 vom Stapel und fährt seit 1984 für Iran. Die Rückkehr durch den Kanal ist für den 3. März geplant.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. Februar 2011