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Öl-Krisengipfel in Dschidda
Der rasant steigende Ölpreis steht im Zentrum einer kurzfristig einberufenen Krisenkonferenz im saudi-arabischen Dschidda, die am Sonntag begann. Konkrete Ergebnisse werden angesichts der Widersprüche und Probleme nicht erwartet. Ein Folgetreffen soll im Oktober in London stattfinden. Zuvor wird im September die Konferenz der erdölfördernden Staaten, OPEC, über die Entwicklung von Preisen und Fördermengen beraten.
Der Ölpreis, der derzeit bei 135 bis 139 Dollar pro Barrel liegt, hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt und ist vier mal so hoch wie im Jahr 2000. In den 90er Jahren hatte sich der Preis mit nur 10 Dollar/Barrel auf einem Tiefpunkt befunden, was kritische Auswirkungen für die Förderländer hatte. Jetzt wird damit gerechnet, dass der Preis bis Jahresende auf 180 Barrel/Dollar steigen könnte. Sollten allerdings USA und Israel ihre Drohungen wahr machen, den Iran militärisch anzugreifen, würde der Preis voraussichtlich auf weit über 200 Dollar/Barrel in die Höhe schießen. Die Folgen für die Weltwirtschaft könnten schwerwiegend sein.
Die Erklärungen für die Ursachen der Preissteigerungen liegen weit auseinander. Die Politiker der USA und der Europäischen Union behaupten, dass der steigende Bedarf der asiatischen Staaten, vor allem Chinas und Indiens, sowie die zu geringen Fördermengen der Ölstaaten schuld seien. Während der Weltverbrauch pro Jahr um 1,8 Prozent zunehme, stagniere die Produktion seit mehreren Jahren auf gleicher Höhe, so US-Energieminister Samuel Bodman.
Einige Produzenten, wie Libyen und Algerien, behaupten im Gegensatz dazu, dass der Bedarf des Marktes gesättigt sei oder sogar ein Überangebot bestehe. Sie lehnen deshalb Steigerungen der Fördermenge ab. Der Preis werde in erster Linie durch Spekulationen auf den Finanzmärkten und die Schwäche des Dollars in die Höhe getrieben. Das Argument ist sachlich nicht unbegründet. So führte vor kurzem die Drohung des israelischen Ministers Schaul Mofas, ein Krieg gegen Iran sei unvermeidlich, dazu, dass der Preis in wenigen Stunden von 130 auf 139 Dollar/Barrel stieg. Jeder Anschlag in Nigeria, dem größten Erdölproduzenten Afrikas, schlägt mit Preissteigerungen von 3 bis 5 Dollar/Barrel zu Buche.
Saudi-Arabien, der Hauptverbündete der USA in der arabischen Welt, nimmt eine mittlere Position ein. Saudische Politiker weisen als Ursache der Preisentwicklung ebenfalls auf Börsenspekulationen, Dollarschwäche, die Instabilität im Irak und in Nigeria, sowie auf die unsichere Perspektive des Iran hin. Dennoch lehnen sie, bedrängt vor allem von den USA und Großbritannien, Produktionssteigerungen nicht ab. Saudi-Arabien hat im Mai seine Fördermenge um 300.000 Barrel auf 9,45 Millionen Barrel pro Tag erhöht. Für Juli wird eine Steigerung um weitere 200.000 Barrel/Tag vorbereitet. Ende nächsten Jahres will das Land, größter Erdöl-Exporteur der Welt, mindestens 12,5 Millionen Barrel/Tag produzieren, bei steigendem Bedarf vielleicht sogar noch mehr.
Angesichts der Tatsache, dass die Tagesproduktion der gesamten Welt derzeit bei 80 bis 85 Millionen Barrel/Tag liegt, fallen die von Saudi-Arabien geplanten Steigerungen allerdings prozentual kaum ins Gewicht. Es wird daher allgemein bezweifelt, ob sie sich wesentlich auf die Preisentwicklung auswirken werden. Abgesehen von vielleicht Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben die übrigen ölfördernden Staaten kaum noch Kapazitäten, um ihre Produktion zu steigern. Im Fall eines Kriegs gegen Iran steht also eine wirkliche Ölkrise bevor.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. Juni 2008