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Krieg nochmals verschoben
Obama will nun doch den Kongress über Militärschläge gegen Syrien abstimmen lassen. Damit kommt er einer Forderung von 80 Prozent der US-Amerikaner nach.
US-Präsident Barack Obama will nun doch den Kongress befragen, bevor er Militäraktionen gegen Syrien anordnet. Dadurch könnte sich eine Verzögerung des Angriffsbeginns bis nach dem 9. September ergeben, da Unterhaus und Senat zur Zeit Sommerpause haben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die beiden Häuser des Kongresses schon früher einberufen werden.
Obama hatte bisher versucht, den Krieg gegen Syrien ohne formale Zustimmung des Parlaments zu führen, wie er es auch schon vor zwei Jahren im Fall Libyens praktiziert hatte. Die amerikanische Verfassung schreibt vor, dass über Kriegserklärungen der Kongress zu entscheiden hat. Dieser Grundsatz wurde jedoch schon seit langem ausgehöhlt. Obama hat diese Praxis durch die pseudo-juristische Argumentation sanktioniert, dass selbst Monate lang andauernde Luftangriffe kein Krieg seien, sofern keine Bodentruppen eingesetzt werden und das Risiko, dass US-Soldaten zu Schaden kommen, sehr gering ist. Auch in der Ansprache, mit der er am Sonnabend die Anrufung des Parlaments bekanntgab, bekräftigte der Präsident erneut seine Überzeugung, dass er „die Autorität“ habe, „diese militärische Aktion ohne spezielle Ermächtigung durch den Kongress durchzuführen“. Die USA würden aber durch die Einschaltung des Kongresses gestärkt „und unsere Aktionen werden noch wirkungsvoller sein“.
Die neokonservativen FoxNews zitierten am Sonntag mehrere nicht namentlich genannte Insider aus der Umgebung des Präsidenten mit der Aussage, Obama werde Syrien auch bei einem negativen Votum des Kongresses angreifen lassen oder wolle sich diese Option zumindest offen halten. Tatsächlich geht aber niemand davon aus, dass die Zustimmung von Abgeordnetenhaus und Senat gefährdet sein könnte. Zwar hatten mehr als 100 Parlamentarier, überwiegend von den oppositionellen Republikanern, vor einigen Tagen in einem offenen Brief an den Präsidenten die Befragung des Kongresses gefordert. Dabei geht es aber um die Grundsatzfrage der Verteidigung der Rechte des Parlaments gegenüber dem Präsidenten und mehr noch um parteipolitische Polemik gegen Obama, dem – sachlich gesehen mit guten Gründen – ein autoritärer, undemokratischer Führungsstil vorgeworfen wird.
Dass diese Propaganda Erfolg verspricht, ist offensichtlich: Eine am Sonnabend veröffentlichte Untersuchung des Senders NBC zeigt, dass 79 Prozent der Befragten, 90 Prozent der Republikaner, und immerhin auch 70 Prozent der Anhänger der Demokraten der Meinung sind, Obama müsse sich vor jeder Militäraktion gegen Syrien die Zustimmung des Kongresses holen. 50 Prozent der Befragten sind gegen solche Aktionen und nur 21 Prozent glauben, dass sie im nationalen Interesse der USA liegen würden. Mit nur 44 Prozent Zustimmung zur Gesamtheit seiner Politik hat Obama einen Tiefpunkt erreicht. Noch schlechter sieht es aus, wenn nach seinem Umgang mit dem Thema Syrien gefragt wird: Nur 35 Prozent der Befragten unterstützen es.
Am Freitag hatte die US-Regierung ein vierseitiges Papier vorgelegt, das angeblich die Verantwortung des syrischen Präsidenten Baschar Hafis Assad für den Giftgas-Einsatz vom 21. August beweisen soll. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch nur um Glaubensbekenntnisse. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach außergewöhnlich scharf von „unvorstellbarem Blödsinn“. Wenn die USA wirkliche Beweise hätten, sollten sie diese dem UN-Sicherheitsrat und den von der UNO nach Syrien entsandten Inspektoren vorlegen. Die Behauptung des Weißen Hauses, dass es Beweise gebe, die man aber aus Geheimhaltungsgründen nicht präsentieren könne, sei „unterhalb jeder Kritik“ und stelle eine Respektlosigkeit gegenüber anderen Staaten dar.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 2. September 2013