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Israel macht Syrien ein vergiftetes Angebot
Die US-Regierung hat sich am Wochenende erneut öffentlich gegen israelisch-syrische Friedensverhandlungen ausgesprochen. Tom Casey, Sprecher des Außenministeriums, sagte, Syrien habe "bisher keinen der positiven Schritte unternommen, die wir von ihnen erwarten". Er nannte in diesem Zusammenhang den Libanon, die Unterstützung palästinensischer Gruppen in den besetzten Gebieten und die Situation an der syrisch-irakischen Grenze.
Außenministerin Condoleezza Rice hatte die israelische Regierung schon Ende Mai in scharfer Form davor gewarnt, direkte Gespräche mit Syrien zu führen. "Meinem Verständnis nach ist es die Sicht der Israelis, und sicher auch unsere, dass die Syrer derzeit ein Verhalten an den Tag legen, das die Region destabilisiert."
Zahlreiche Berichte deuteten schon im vorigen Jahr darauf hin, dass die US-Regierung nicht nur Israels Libanon-Krieg angeheizt hatte, sondern eine Ausweitung auf Syrien nicht ungern gesehen hätte.
Was den Amerikanern jetzt Sorgen macht, sind die offenen Gesprächsangebote der israelischen Regierung Richtung Damaskus. Am Freitag voriger Woche hatte die israelische Tageszeitung Jedioth Aharonoth berichtet, Premierminister Ehud Olmert habe dem syrischen Präsidenten Baschar Assad durch deutsche und türkische Diplomaten die Botschaft zukommen lassen, dass Israel zu direkten Verhandlungen über einen Rückzug von den seit 1967 besetzten Golan-Höhen bereit sei. Olmert und mehrere Regierungsmitglieder, darunter Transportminister Schaul Mofaz, bestätigten, dass es einen Austausch geheimer Botschaften gebe.
Dass es schon seit Monaten verdeckte Kontakte gibt, war im April bestätigt worden. Beteiligt waren der syrisch-amerikanische Geschäftsmann Ibrahim Suleiman und Alon Liel, Generaldirektor im israelischen Außenministerium. Nach Berichten israelischer Medien hatten die Gespräche mit Wissen beider Regierungen im September 2004 begonnen und hatten im Juli 2006 zu einer Art vorläufiger Vereinbarung geführt, die aber noch keinen Zeitplan für den Rückzug von den Golan-Höhen enthielt.
Die syrische Regierung dementierte sofort, Suleiman irgendeinen Verhandlungsauftrag erteilt zu haben. Der Geschäftsmann habe die Gespräche auf eigene Faust geführt und sei von Wunschdenken geleitet.
Sieht man sich die angebliche Vereinbarung vom Juli 2006 und die bekannt gewordenen Umstände des aktuellen Verhandlungsangebots an, wird klar, warum man in Damaskus auf Distanz geht. Denn dieses Angebot ist offensichtlich vergiftet. Im Mittelpunkt der jüngsten Geheimbotschaft Olmerts an Assad steht, israelischen Medien zufolge, die Frage, ob Syrien bereit sei, im Austausch für Verhandlungen über die Zukunft der Golan-Höhen seinen Bruch mit dem Iran, den palästinensischen Organisationen und der libanesischen Hisbollah zu erklären.
De syrische Regierung müsste sich, um auf dieses Angebot einzugehen, öffentlich vollständig kompromittieren. Auf der anderen Seite ist ungewiss, was sie im Austausch erhalten würde. Der günstigste Vorschlag einiger israelischer Politiker scheint darin zu bestehen, den Rückzug von den Golan-Höhen über einen Zeitraum von 15 Jahren zu strecken. Ein anderes Modell brachte Israels Bauminister Meir Sheetrit ins Gespräch: Syrien müsste den Golan für 25 Jahre an Israel verpachten, und anschließend könne man aufgrund des syrischen Verhaltens über eine Rückgabe sprechen. Als Köder, um die syrische Regierung aufs Eis zu locken, scheint das eindeutig zu wenig.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 12. Juni 2006