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Gespräche ohne Aussicht
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat sich dem Druck der reaktionären arabischen Monarchien gefügt und hilft der israelischen Regierung wieder einmal, „Friedensprozess“ zu spielen. Premier Benjamin Netanjahu lässt die Gespräche, die am Montag in Washington unter US-amerikanischer Obhut begannen, „aus strategischen Gründen“ führen. Gemeint ist ein diplomatisches Ablenkungsmanöver, in dessen Deckung Israel günstigere Voraussetzungen für Militärschläge gegen Iran und Syrien finden könnte.
In Wirklichkeit hält Netanjahu aber nur ein Null-Angebot bereit. Seine eigene Partei, der Likud, lehnt in ihrem 1999 verabschiedeten Programm die Schaffung eines palästinensischen Staates ausdrücklich ab. Das Gleiche gilt für die noch rechtere Jisrael Beteinu des ehemaligen Außenministers Avigdor Libermann, mit der der Likud sich im vorigen Jahr zusammengeschlossen hat, und für die an der Regierung beteiligte Bajit Jehudi. Wenn Netanjahu trotzdem von Verhandlungen über einen Palästinenserstaat spricht, will er die internationale Öffentlichkeit täuschen und rechnet damit, der Gegenseite die Schuld zuweisen zu können, wenn die Gespräche in einigen Monaten scheitern.
Israels Premier will den Palästinensern zwar eine Fahne und eine Hymne, aber kaum Souveränität zugestehen. Was das bedeutet, hat Netanjahu detailliert erläutert: Israel soll die Kontrolle über sämtliche Außengrenzen des Westjordanlandes, einschließlich seines Luftraumes, behalten. Israel beansprucht darüber hinaus die gesamte westliche Seite des Jordantales – das Ostufer gehört zu Jordanien - einschließlich der angrenzenden Bergkette. Dabei geht es nicht zuletzt um die Herrschaft über wichtige Wasserressourcen, und zwar nicht nur über die des Jordan, sondern auch über die Vorkommen in und unter der Bergkette. Das so definierte Jordantal macht rund ein Drittel der Westbank aus. Eine dauerhafte israelische Kontrolle über dieses Gebiet würde die Abhängigkeit der palästinensischen Wasserversorgung von Israel festschreiben. Erschwerend kommt hinzu, dass Israel nicht nur das arabische Ostjerusalem behalten will, sondern auch sämtliche Siedlungen im Westjordanland, wo jetzt schon nach offiziellen Angaben 340.000 bis 360.000 Menschen leben.
Netanjahu sei bereit, den Palästinensern in einem Friedensabkommen 86 Prozent des Westjordanlandes zu „überlassen“, klagt der stellvertretende Außenminister Ze'ew Elkin, ein Mitglied des Likud, und findet das ganz schändlich. In dieser Rechnung ist aber unter anderem nicht berücksichtigt, dass Netanjahu das Jordantal für 90 oder 100 Jahre „pachten“ will. In Wirklichkeit bliebe den Palästinensern bei Netanjahus Plan kaum die Hälfte der Westbank – durch Streifen israelischer Siedlungen in zwei oder drei Einzelteile getrennt. Und während Scheinverhandlungen geführt werden, geht die Bautätigkeit in den besetzten Gebieten weiter. Eine „Zweistaatenlösung“ liegt aufgrund der von Israel geschaffenen irreparablen Fakten längst jenseits der Realität.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 31. Juli 2013