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Ephraim Sneh: Israelischer Finger am amerikanischen Abzug
Als stellvertretender Verteidigungsminister muss man sich schon etwas einfallen lassen, um von den Medien wahrgenommen zu werden. Dem 62-jährigen Doktor der Medizin Ephraim Sneh, Fraktionsvorsitzender der sozialdemokratischen Arbeitspartei Israels in der Knesset, fehlt es nicht an Phantasie. Die Jerusalem Post zitierte den zum "Falken"-Flügel seiner Partei gerechneten Sneh am Freitag mit Drohungen gegen Iran. Er sei eigentlich kein Befürworter von "präventiven" Militärschlägen gegen Iran, hatte Sneh gesagt, und er sei sich über die möglichen Folgen im Klaren. Aber manchmal bleibe einem gar nichts anderes übrig, als zum äußersten Mittel zu greifen. Israel könne es sich nicht leisten, "unter einer dunklen Wolke von Drohungen zu leben". Denn das könnte auf potentielle Einwanderer abschreckend wirken und sogar Israelis zur Ausreise veranlassen. Und da Sneh schon 1999 - lange vor der Präsidentschaft Ahmadinedschads also - erkannt hatte, dass Iran die größte Bedrohung Israels darstellt, muss man den Gefahrenherd irgendwann beseitigen. Sonst könne Ahmadinedschad "den zionistischen Traum töten, ohne auf den Knopf zu drücken", wie der stellvertretende Verteidigungsminister jetzt gegenüber der Jerusalem Post formulierte.
Ministerpräsident Ehud Olmert legte am Sonnabend nach. Kurz vor Antritt einer USA-Reise sagte er dem Nachrichtenmagazin Newsweek, Iran werde den Verzicht auf sein Atomprogramm nur akzeptieren, "wenn es gute Gründe hat, die Konsequenzen zu fürchten". Iran müsse begreifen, dass es anderenfalls "sehr teuer bezahlen" würde.
Der iranische Botschafter bei der UNO hat am Sonnabend beim UNO-Sicherheitsrat Protest gegen Snehs Kriegsdrohung eingelegt. Erfolg wird dem Versuch wohl nicht beschieden sein: Der Sicherheitsrat hat bisher alle amerikanischen und israelischen Kriegsdrohungen gegen Iran ignoriert.
Zu einem großen Luftkrieg gegen Iran wäre Israel nicht in der Lage. Aber es könnte mit einem einzigen Angriff iranische Reaktionen provozieren, die mit fast hundertprozentiger Sicherheit den Kriegseintritt der USA "zum Schutz Israels" zur Folge hätten. Das macht Leute wie Sneh so gefährlich.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 13.11.2006