KNUT MELLENTHIN

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Die Kerry-Formel

US-Außenminister versucht, als Ein-Mann-Show einen "Friedensprozess" zwischen Israel und den Palästinensern zu simulieren.

Auch bei seinem sechsten Besuch im Nahen Osten blieb John Kerry der ersehnte Erfolg versagt. Am Freitagmorgen verließ der US-Außenminister die jordanische Hauptstadt Amman, wo er sich unter anderem zwei Mal mit Mahmud Abbas zu mehrstündigen Gesprächen getroffen hatte. Der Palästinenserpräsident, dessen reguläre Amtszeit schon seit Januar 2009 abgelaufen ist, informierte am Donnerstagabend die Spitzengremien der PLO und seiner eigenen Organisation, der Fatah, über den Verlauf seiner Unterredungen mit Kerry. Anschließend sollten sie ihr Votum abgeben, ob auf dieser Grundlage die praktisch schon seit 2008 unterbrochenen direkten Verhandlungen mit der israelischen Regierung wieder aufgenommen werden könnten. Die Diskussionen endeten jedoch ohne Entscheidung. 

Ersten Meldungen zufolge wurde lediglich ein Ausschuss gebildet – seine Zusammensetzung blieb zunächst unbekannt -, der Kerrys Vorschläge genauer prüfen und dann eine Empfehlung an das Exekutivkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation abgeben soll. Chefunterhändler Saeb Erekat soll beauftragt worden sein, sich erneut mit Kerry zu treffen, um diesen über die palästinensischen Positionen und Forderungen zu informieren. Außerdem soll Erekat den US-Außenminister um mehr Informationen über die israelische Haltung bitten. Der 58Jährige hatte seine Funktion im Februar 2011 niedergelegt, nachdem Dokumente veröffentlicht worden waren, die ein schlechtes Licht auf seine Verhandlungstaktik gegenüber den Israelis warfen. Auf Wunsch von Abbas amtiert er dennoch weiter.

Bei Kerrys intensiver „Friedensdiplomatie“, die er nun schon seit März unter großem persönlichen Einsatz betreibt, geht es bisher nicht im mindestens um eine Annäherung der Standpunkte beider Seiten mit dem Ziel einer tragfähigen Lösung. Das einzige Ziel des US-Außenministers besteht offensichtlich darin, Israelis und Palästinenser „wieder an den Verhandlungstisch zu bringen“ . Der Widerstand dagegen kommt scheinbar von der palästinensischen Seite, die für diese Gespräche gewisse Vorgaben verlangt, damit nicht erneut jahrelange Scheinverhandlungen geführt werden, während Israel durch die fortschreitende Besiedlung und Eingliederung der besetzten Gebiete immer mehr kaum noch reparable Tatsachen schafft. Gerade zu diesem Zweck bietet die israelische Regierung immer wieder „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ an – in der festen Erwartung, dass die Palästinenser darauf nicht mehr eingehen werden und dann als Schuldige für den „Stillstand des Friedensprozesses“ gebrandmarkt werden können.

Angeblich hat Kerry als Anreiz für die Palästinenser eine „Formel“ entwickelt, deren Inhalt allerdings vor der Öffentlichkeit geheimgehalten wird und – nach Aussagen mehrerer palästinensischer Politiker – noch nicht einmal schriftlich fixiert ist. Anonyme palästinensische „officials“ füttern die Medien mit nicht nachprüfbaren Behauptungen über Kerrys Zauberformel. Kernstück soll demnach sein, dass künftige Verhandlungen „auf der Grundlage der Grenzen von 1967“ geführt werden sollen.

Dass dies wirklich stimmt, ist aber höchst unwahrscheinlich. In diesem Punkt war US-Präsident Barack Obama bereits zu Beginn seiner Amtszeit vorgeprescht und hatte sich eine peinliche Niederlage eingehandelt, weil Israels Premier Benjamin Netanjahu den amerikanischen Kongress für sich zu mobilisieren vermochte. Netanjahu hat denn auch jetzt sofort entschieden dementieren lassen,  dass er die 1967er Grenzen  als Ausgangspunkt für Verhandlungen akzeptiert habe. Zusätzlich hat der Vorsitzende von Bajit Jehudi, Wirtschaftsminister Naftali Bennnett, angekündigt,   

dass seine Partei die Koalition verlassen würde, falls Gespräche mit den Palästinensern auf dieser Basis stattfänden.

Enthusiastisch äußerte sich hingegen die zum Instrument der reaktionären Monarchien verkommene Arabische Liga: Sie begrüßte am Mittwoch Kerrys „Friedensbemühungen“ und erklärte, dass diese eine gute Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen seien. 

Knut Mellenthin

Junge Welt, 20. Juli 2013