KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Der Mann, ohne den nichts geht

Nach der Wahl am 10. Februar wird aller Wahrscheinlichkeit keine Regierungsbildung ohne Avigdor Lieberman und seine rechtextreme Partei Jisrael Beiteinu (Unser Haus Israel) möglich sein. Der Favorit auf das Amt des Premierministers, Benjamin Netanjahu von der rechten Likud-Partei, hat dem Liebling der russischen Einwanderer, der ihm während seiner Zeit als Premierminister 1996 bis 1999 als Bürochef diente, schon während des Wahlkampfs ein Schlüsselministerium versprochen. Auch Außenministerin Tzipi Livni von der Kadima-Partei hätte mit Lieberman vermutlich keine Probleme: Gehörte er doch einer von der Kadima geführten Regierung schon von Oktober 2006 bis Januar 2008 an. Damals leitete der notorische Scharfmacher das nach seinen Bedingungen maßgeschneiderte Ministerium für Strategische Planung, das unter anderem für die Konfrontation mit Iran zuständig war. Nachdem Lieberman zurücktrat, weil er Friedensverhandlungen mit den Palästinensern ablehnte, wurde das Ministerium aufgelöst.

Lieberman, der 1978 aus der damaligen Sowjetunion nach Israel einwanderte, gehörte zunächst lange Zeit dem Likud an, bevor er 1999 seine eigene Partei gründete, die vor allem unter den Immigranten aus Russland sehr beliebt ist. Jisrael Beiteinu hat inzwischen große Teile der extremen Rechten an sich gezogen und wildert auch erfolgreich im Wählerpotential des Likud.

Dass Lieberman einen palästinensischen Staat in jeder Form ablehnt, ist eine Selbstverständlichkeit. Als er 2001 unter Ariel Scharon Minister für Nationale Infrastruktur war, schlug er vor, das besetzte Westjordanland in vier auch räumlich voneinander getrennte Kantone ohne einheitliche palästinensische Verwaltung zu zergliedern.

Darüber hinaus ist Lieberman auch der lauteste und hemmungsloseste Propagandist des sogenannten Transfers. Gemeint ist die mehr oder weniger erzwungene Vertreibung der arabischen Bürger Israels. Neigungen in diese Richtung gibt es auch im Likud und in der Kadima, sogar in den Reihen der Arbeitspartei, aber zumeist wird diese Diskussion mit Rücksicht auf die Reaktionen im Ausland nicht öffentlich und nicht explizit geführt. Lieberman hingegen fordert offen, Zehntausenden israelischer Araber mit Hilfe juristischer Tricks die Staatsbürgerschaft zu entziehen und einige arabische Bevölkerungszentren den besetzten Gebieten anzuschließen. Die übrigen sollen einen Schwur auf den „jüdischen Charakter“ Israels – also auf Verewigung ihres Status als Bürger zweiter Klasse – ablegen oder zum Verlassen des Landes gezwungen werden. Auf russisch wird der Demagoge vor seinen Anhängern noch deutlicher: „Sie haben hier keinen Platz. Sie können ihr Bündel packen und abhauen!“

Im Juli 2003 forderte Lieberman, palästinensische Gefangene nach ihrer Entlassung in einen Bus zu packen und „zu einer Stelle zu bringen, von der sie nicht zurückkehren“. Nach anderen Berichten sprach er sogar explizit davon, sie im Toten Meer zu ertränken, und bot sich an, die Busse für den Abtransport zur Verfügung zu stellen. Im Januar 2006 bezeichnete er die arabischen Knesset-Abgeordneten als „Verräter“, die vor Gericht gestellt und hingerichtet werden sollten.

In Israel leben rund 1,5 Millionen arabische Staatsbürger, ein Fünftel der Landesbevölkerung. Im zionistischen Mainstream-Diskurs werden sie als „demographische Zeitbombe“ dämonisiert, die es auf eine möglichst von den USA und Europa hingenommene Weise loszuwerden gilt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Februar 2009