KNUT MELLENTHIN

Funktionen für die Darstellung

Darstellung:

Seitenpfad

Auftakt in Washington

Israel und Palästinenser wollen seit 2010 unterbrochene Gespräche wieder aufnehmen. Doch zunächst geht es nur um die Tagesordnung.

Israel und die Palästinenserregierung im besetzten Westjordanland wollen nach einer Unterbrechung von fast drei Jahren wieder verhandeln. Die erste Gesprächsphase sollte am Montagabend in Washington beginnen. Später soll im Nahen Osten weiterverhandelt werden. Israel wird in Washington durch seine ehemalige Außenministerin – jetzt Justizministerin – Tzipi Liwni und Netanjahus Berater Jitzchak Molcho vertreten. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schickt seinen langjährigen Chefunterhändler Saeb Erekat und den Wirtschaftsfachmann Mohammad Schtajjeh.

Zunächst geht es nur um die Festlegung der Themen und einen Arbeitsplan mit Zeitrahmen für die nächsten Monate. Bisherige Äußerungen lassen darauf schließen, dass die palästinensische Seite frühzeitig über die Grenzen eines künftigen eigenen Staates sprechen will. Dagegen will Israels Premier Benjamin Netanjahu zuerst über „Sicherheitsfragen“ sprechen, ohne das bisher klar gesagt wurde, was er damit meint. Vermutlich will die israelische Regierung schon in einem frühen Stadium der Gespräche die Anerkennung Israels als „jüdischer Staat“ durch die Palästinenser fordern.

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der rechtesten, unnachgiebigsten Regierung, die es jemals in Israel gab, ist unter den Palästinensern sehr umstritten, nachdem die israelische Seite über zwanzig Jahre lang nur auf Zeitgewinn gespielt hat, um in den besetzten Gebieten immer mehr irreparable Fakten zu schaffen. Als propagandistische Argumentationshilfe für Abbas hat die israelische Regierung deshalb die „schrittweise“ Freilassung von insgesamt 104 gefangenen Palästinensern in Aussicht gestellt. Ein Ausschuss, an dessen Spitze Netanjahu steht, wird über den zeitlichen Ablauf der Operation entscheiden. Dieser soll sich daran orientieren, ob die Palästinenser „ernsthaften Verhandlungswillen“ zeigen. „Jede Provokation von palästinensischer Seite wird die Freilassung beenden“, hat Netanjahu angedroht.   

Bei der Beratung im Kabinett stimmten am Sonntag 13 Minister für den Freilassungsplan und sieben dagegen; es gab außerdem zwei Enthaltungen. Netanjahu war den Kritikern zuvor entgegengekommen, indem er die umstrittene Entscheidung über den Umgang mit arabischen Israelis unter den Häftlingen auf einen späteren Zeitpunkt vertagte. Einige Minister, vor allem von der rechtsextremen Bajit Jehudi, aber auch aus Netanjahus eigener Partei Likud Beteinu, schlossen sich den Protesten von mehreren hundert Menschen vor dem Amtssitz des Premiers in Jerusalem an. Die für die Freilassung vorgesehenen Gefangenen sind durchweg wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft Verurteilte, wobei es sich um Taten handelt, die schon vor der Aufnahme israelisch-palästinensischer Verhandlungen vor zwanzig Jahren begangen wurden.

Ebenfalls am Sonntag beschloss die israelische Regierung die Einbringung eines Gesetzes mit Verfassungscharakter, das zwingend eine Volksabstimmung vorschreibt, falls die „Aufgabe souveränen Territoriums“ geplant ist. Das betrifft sowohl Überlegungen, kleine Gebiete Israels gegen Teile des Westjordanlands „einzutauschen“, als auch den Status von Ostjerusalem, das von Israel schon 1980 förmlich annektiert wurde. Dagegen bezieht sich das Referendumsgesetz nicht auf das Westjordanland, das in Israel meist „Judäa und Samaria“ genannt wird. Bajit Jehudi und andere Rechte haben allerdings schon angekündigt, dass sie ein Gesetz vorbereiten, das auch für die „Preisgabe“ besetzter Gebiete im Westjordanland eine Volksabstimmung vorschreibt.

Der Beschluss am Sonntag fiel, mit Ausnahme von Tzipi Liwni und eines weiteren Regierungsmitglieds ihrer Partei Hatnua, fast einstimmig. Hatnua ist, ähnlich wie die oppositionelle Arbeitspartei, dagegen, eine eventuelle Verständigung mit den Palästinensern durch eine Volksabstimmung zu gefährden.  

Das Gesetz muss nun aber noch die Knesset passieren. Erste Lesung soll am Mittwoch sein. Da das Parlament anschließend in die Sommerpause geht, wird mit einer Verabschiedung nicht vor Oktober gerechnet. 

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. Juli 2013