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Amerikanische Sanktionen gegen Israels Mauerbau?
In den letzten Tagen gab es Spekulationen, dass die amerikanische Regierung Israel mit finanziellen Sanktionen drohen könnte, wenn Scharon weiter den sogenannten Sicherheitszaun bauen lässt, der die Palästinensergebiete nicht nur abriegeln, sondern in mehrere Teile zerschneiden soll.
Die Meldung tauchte anscheinend erstmals in der israelischen Zeitung "Ha'aretz" auf, die Scharons Politik oft sehr kritisch kommentiert. Angeblich erwägt die US-Regierung, die amerikanischen Kreditgarantien für Israel um den Betrag zu kürzen, der für den Bau des "Sicherheitszauns" ausgegeben werden soll. Das wären ungefähr 1 Milliarde Dollar.
Der amerikanische Kongress hatte vor einigen Monaten zusätzliche Kreditgarantien für Israel in Höhe von 9 Milliarden Dollar beschlossen. Beantragt hatte die Regierung Scharon jedoch nur 8 Milliarden. Andererseits genehmigte der Kongress Israel nur eine Milliarde zusätzliche Militärhilfe; beantragt waren 4 Milliarden.
Die Idee, Israel mit Sanktionen zu drohen, stammt angeblich aus dem Außenministerium. Sollte das stimmen, wäre von vornherein klar, dass es sich um eine Seifenblase handelt. Das State Department befindet sich gegenüber den "Falken", die vor allem das Pentagon dominieren, schon lange in der Defensive. Keine Idee, die aus Colin Powells Behörde kommt, hat eine Chance auf Durchsetzbarkeit. Schon gar nicht eine Idee, die sich gegen die Regierung Scharon richtet, denn diese ist ein privilegierter Partner der amerikanischen "Falken".
Tatsächlich gibt es für die angebliche Sanktions-Androhung keine offizielle Bestätigung. Sie widerspricht im Gegenteil dem, was über die vor einigen Tagen geführten Gespräche zwischen Bush und Scharon bekannt wurde. Zwar bezeichnete der amerikanische Präsident den Mauerbau zunächst als "Problem" für die israelisch-palästinensischen Verhandlungen, ließ sich dann aber offensichtlich von den Argumenten Scharons beeindrucken. Denn als er nach dem Gespräch mit dem israelischen Regierungschef vor die Presse trat, sagte Bush: "Der Zaun ist ein empfindliches Thema. Das habe ich verstanden, und der Premierminister hat es mir sehr klar gemacht." Er habe mit Scharon vereinbart, über die konkrete Ausführung und Handhabung des "Sicherheitszauns" im Dialog zu bleiben, um Härten für die palästinensische Bevölkerung möglichst gering zu halten.
Das wird kaum gelingen. Denn die im Bau befindlichen israelischen Sperranlagen riegeln keineswegs nur die Grenze zwischen Israel und den besetzten Gebieten ab, sondern greifen der beabsichtigten Annektion von großen Teilen des Westjordanlandes vor und schaffen vollendete Tatsachen. Der "Sicherheitszaun" wird nicht nur die Westbank in zwei Teile zerschneiden, sondern sie auch durch einen breiten Streifen vom Jordan und vom Nachbarland Jordanien trennen.
Die Planung der Regierung Scharon sieht vor, die Palästinensergebiete an keinen arabischen Staat mehr grenzen zu lassen. Sie sollen nur noch abgeriegelte, zerstückelte Enklaven sein, die rundum von israelischem Territorium eingeschlossen sind. Als Fläche eines künftigen "Palästinenserstaates" sind nur 40 bis 45 Prozent der seit 1967 besetzten Gebiete vorgesehen. Nicht nur die geringe Ausdehnung, sondern mehr noch die Zerstückelung in mindestens drei Teile und die Tatsache, dass über 100 jüdische Siedlungen fortbestehen sollen, deren exterritoriale Straßenverbindungen die Palästinensergebiete noch mehr zerschneiden, bedeutet die völlige Irrealität dieses pseudo-staatlichen Gebildes.
Dass die amerikanische Regierung versuchen wird, auf die Umsetzung des "Sicherheitszauns", insbesondere auf dessen Verlauf, Einfluss zu nehmen, ist anzunehmen. Zumindest wird sie sich diesen Anschein geben. Dass sie dabei zu finanziellen Drohungen greift, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Anderenfalls müsste sie mit heftigem Widerstand zahlreicher Abgeordneter und Senatoren beider Parteien rechnen.
Schon bevor die israelisch-palästinensischen Verhandlungen überhaupt begannen, hatte die Kongress-Mehrheit dafür gesorgt, dass die ursprünglichen Vorstellungen der US-Regierung über die "Road Map" im Sinne der Forderungen Scharons verändert wurden. Rund 60 amerikanische Abgeordnete und Senatoren besuchen in diesem Sommer Israel. Veranstalter dieses PR-Programms ist ein Ableger der offiziellen pro-israelischen Lobby AIPAC. Den Anfang machte Tom DeLay, Fraktionschef der Republikaner im Abgeordnetenhaus und prominentester Vertreter der sogenannten christlichen Zionisten. "Im Herzen bin ich Israeli" rief er seinen Gastgebern zu und versprach ihnen bedingungslose Solidarität mit ihrem "Kampf gegen den Terrorismus". Dazu gehören nach DeLays Verständnis auch die Absperranlagen.
Wäre Bush geneigt, auf die Regierung Scharon Druck auszuüben, würde er an der klaren pro-israelischen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses scheitern. Dem US-Präsidenten liegt es aber fern, es auf eine solche Probe überhaupt ankommen zu lassen. Die Medien erinnern daran, dass der Vater des Präsidenten 1991 tatsächlich Kürzungen an den Kreditgarantien vornahm, um die israelische Siedlungspolitik zu bremsen - und dass ihn dies vermutlich die Wiederwahl kostete.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 8. August 2003