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Wieder Massenproteste in Georgien
Die Konfrontation zwischen Opposition und Regierung in Georgien spitzt sich erneut zu. 30.000 Menschen beteiligten sich am Freitag an einer Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt Tbilissi. Neben dem aus neun Parteien bestehenden Oppositionsbündnis hatten auch die Partei der Neuen Rechten, die sozialdemokratische Arbeitspartei und die vor kurzem gegründete Christdemokratische Partei des Fernsehjournalisten Giorgi Targamadse zu der Kundgebung aufgerufen. Die Opposition hat angekündigt, die Proteste bis zur Erfüllung ihrer Forderungen fortzusetzen.
Das Oppositionsbündnis hatte am 28. Januar ein Memorandum veröffentlicht, das 17 Forderungen enthält. Daraufhin waren mehrwöchige Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Bündnis geführt worden. Am Donnerstag dieser Woche legte die Regierung ihre Antwort vor, die von den beiden Seiten sehr unterschiedlich interpretiert wird. Parlamentspräsidenten Nino Burjanadze, die der regierenden Nationalpartei angehört, aber auch von der Opposition als Ansprechpartnerin akzeptiert wird, verkündete, dass die Regierung der Opposition in 15 ihrer 17 Forderungen entgegengekommen sei. Im Gegensatz dazu bezeichneten Sprecher aller Oppositionsparteien die Antwort der Regierung als völlig unangemessen und unannehmbar. Die Antwort sei viel schlimmer, als man während des Verhandlungsprozesses erwartet habe. Keine einzige Forderung sei erfüllt worden. Auf dieser Grundlage sei die Fortsetzung des Dialogs mit der Regierung unmöglich.
Drei Punkte hatten als unverzichtbar im Zentrum der Forderungen der Opposition gestanden: die Freilassung aller, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, sowie die Entlassung von Tamar Kintsuraschwili, der Chefin des staatlichen Rundfunks, und von Levan Tarkhnischwili, dem Leiter des Zentralen Wahlkommission. Die Opposition wirft ihm vor, für Fälschungen bei der Präsidentenwahl am 5. Januar verantwortlich zu sein. Dem offiziellen Ergebnis zufolge war Amtsinhaber Michail Saakaschwili mit 53,5 Prozent wiedergewählt worden. Der Kandidat des Oppositionsbündnisses, Lewan Gachechiladse, lag demnach mit 25,7 % auf dem zweiten Platz.
In ihrer Antwort stellt die Regierung die Neubildung der Leitung des Rundfunkfunks und der Wahlkommission in Aussicht - aber durch Gremien, in denen Regierungsvertreter die Mehrheit haben. Die Regierung verspricht außerdem, alle Personen freizulassen, die in Zusammenhang mit den Massenprotesten vom 7. November vorigen Jahres in Haft sind. Sie lehnt aber die Einstellung der Verfahren gegen den früheren Innenminister Irakli Okruaschwili und den ehemaligen Provinzgouverneur Michail Kareli ab. Der eine befindet sich zur Zeit in deutscher Auslieferungshaft, der andere ist gegen Kaution auf freiem Fuß.
Überschattet wird der Konflikt vom Tod Badri Patarkatsischwilis. Der 52jährige Milliardär, der die Opposition unterstützt hatte, starb am 12. Februar in seinem Wohnsitz bei London. Nach einer ersten kriminalmedizinischen Untersuchung war ein Herzinfarkt die natürliche Todesursache. Eine Reihe von Oppositionspolitikern zweifelt aber an diesem Ergebnis und zieht Parallelen zu dem bis heute unaufgeklärten Tod von Ministerpräsident Surab Schwania im Februar 2005.
Der Blick der Opposition richtet sich nun auf die Parlamentswahlen, die voraussichtlich im Mai stattfinden werden. Es wird damit gerechnet, dass die Nationalpartei dann nicht nur ihre Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verliert, sondern sogar in die Minderheit geraten könnte.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 16. Februar 2008