KNUT MELLENTHIN

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Südosseten und Abchasen demonstrieren für ihre Unabhängigkeit

Mit Massendemonstrationen in Tschinwali und Suchumi haben am Donnerstag Zehntausende Südosseten und Abchasen für die Verteidigung ihrer Unabhängigkeit von Georgien demonstriert. Sie unterstützten damit zugleich die langjährige Forderung ihrer Regierungen an Russland, ihre Eigenstaatlichkeit endlich offiziell anzuerkennen. Der Föderationsrat, das Oberhaus des russischen Parlaments, will sich am Montag mit den Anträgen der beiden Republiken befassen.

In Tschinwali, dessen Zentrum durch den georgischen Beschuss mit Raketenwerfern und schwerer Artillerie zu Beginn des Überfalls schwer gezeichnet ist, folgten am Donnerstagabend Tausende einem als Reqiem, Totengedenken, bezeichneten Konzert unter freiem Himmel. Geleitet wurde es von dem international bekannten Musiker Waleri Gergiew, der unter anderem Chefdirigent des London Symphony Orchestra und künstlerischer Direktor der Petersburger „Weißen Nächte“ ist. Gergiew ist zum Teil ossetischer Abstammung. “Wir sind hier, damit die Welt die Wahrheit erfährt”, sagte der Dirigent vor Beginn des Konzerts. „Wir sind verpflichtet, jener zu gedenken, die durch die georgische Aggression eines tragischen Todes gestorben sind.“

Unterdessen geht der Abzug der russischen Truppen aus Georgien planmäßig weiter. Die Russen räumten am Freitagvormittag ihre Kontrollstationen in der Stadt Gori und an der Gori mit Tbilissi verbindenden Straße. Der Rückzug befinde sich „im Endstadium“ und werde bis Tagesende abgeschlossen sein, gab der russische Generalstab am Freitag bekannt. 500 russische Soldaten sollen für eine noch nicht genau festgelegte Übergangszeit in einer an Südossetien grenzenden Pufferzone auf georgischem Gebiet stationiert bleiben, um gegenseitige Übergriffe zu verhindern. Das ist Teil des Waffenstillstandsabkommens. Dennoch gab sich Georgiens Präsident Michail Saakaschwili wieder einmal trotzig und erklärte, er werde keine Pufferzone zulassen. Ein Sprecher des russischen Generalstabs antwortete darauf am Freitag gelassen: „Wir werden Herrn Saakaschwili wegen der Pufferzone nicht um Erlaubnis oder Rat bitten.“

Ebenfalls am Freitag gab der Generalstab die Absicht bekannt, die Stärke der russischen Friedenstruppe in Abchasien auf 2142 Mann zu reduzieren. Russland hatte die Soldatenzahl als Reaktion auf georgische Kriegsdrohungen Anfang Mai von 1997 auf 2542 erhöht. Das Waffenstillstandsabkommen vom 22. August 1994 lässt eine maximale Truppenzahl von 3000 zu.

Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeichnet sich noch keine Einigung auf eine konsensfähige Resolution ab. Nachdem Frankreich am Dienstag einen für die russische Seite inakzeptablen Text vorgelegt hatte, präsentierte Russland am Donnerstag einen eigenen Entwurf, dessen Wortlaut ausschließlich das vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgearbeitete und vermittelte russisch-georgische Waffenstillstandsabkommen wiedergibt.

Demgegenüber bestanden USA, Großbritannien und Frankreich zunächst darauf, dass die Resolution ein Bekenntnis zur „territorialen Integrität“ Georgiens, also zur Zwangszugehörigkeit von Abchasien und Südossetien, enthalten müsse. Inzwischen haben sie ihren Widerstand gegen den russischen Entwurf anscheinend darauf reduziert, „Klarstellungen“ zu verlangen, die das Sechs-Punkte-Abkommen zum Waffenstillstand nicht enthält. Dabei geht es vorm allem um die Frage, wie lange russische Truppen in der Pufferzone stationiert bleiben sollen.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. August 2008