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Harte Urteile in Tbilissi
Mit langjährigen Haftstrafen für die Hauptangeklagten endete am Montag in der georgischen Hauptstadt Tbilissi der Prozess wegen der sogenannten Meuterei von Mukhrowani. Koba Otanadse, ein Oberst im Ruhestand, soll für 30 Jahre ins Gefängnis. Gegen Lewan Amiridse, der eine in Tbilissi stationierte Spezialeinheit befehligt hatte, wurde eine 28jährige Freiheitsstrafe verhängt. Das drittschwerste Urteil, 19 Jahre Gefängnis, erging gegen Schota Gorgiaschwili, Kommandeur eines Panzerbataillons auf dem 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Stützpunkt Mukhrowani.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die drei versucht hatten, die Regierung von Präsident Michail Saakaschwili durch einen Militärputsch zu stürzen, und folgte in seinen Urteilen weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Von den anfangs 41 Angeklagten waren am Schluss noch 20 übrig geblieben. Viele hatten sich zuvor mit der Staatsanwalt durch Schuldbekenntnisse und belastende Aussagen gegen Mitangeklagte geeinigt, so dass ihre Fälle gesondert verhandelt wurden oder noch werden.
Die in dem seit Ende August vorigen Jahren laufenden Prozess erörterten Ereignisse hatten sich am 5. Mai 2009 in Mukhrowani abgespielt. Der angebliche Putsch war eine politische Demonstration von Offizieren und Soldaten des Stützpunktes, zum Teil auch von Offizieren im Ruhestand und aus anderen Einheiten. Kein einziges Fahrzeug verließ dabei das Militärgelände. Für die Konstruktion der Anklage, das Panzerbataillon aus Mukhrowani – etwa 500 Mann – habe zusammen mit der von Amiridse kommandierten Spezialeinheit die wichtigsten Regierungsgebäude besetzen sollen, fehlten schlüssige Beweise. Die hauptsächlichen Vorwürfe beruhten auf den Aussagen eines einzigen Kronzeugen, Gia Gwaladse. Anfänglich wegen Meuterei zum Sturz der Regierung angeklagt, wurde er aufgrund seiner „Kooperation“ im Oktober lediglich zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Die angebliche Meuterei hatte nach wenigen Stunden damit geendet, dass sich die gesamte Besatzung von Mukhrowani den um das Gelände zusammengezogenen Einheiten aus anderen Stützpunkten ergab. Saakaschwili nahm in einer Fernsehansprache und anderen öffentlichen Äußerungen das Urteil vorweg, indem er die Beteiligten als „Leute mit krimineller Mentalität“ bezeichnete, die man viel zu lange habe gewähren lassen und die sich eigentlich gar nicht mehr in Freiheit hätten befinden dürfen. „Dieser Liberalismus ist schon gefährlich geworden. Ich werde das nicht länger dulden.“ Der Präsident behauptete darüber hinaus, seine Regierung verfüge über sichere Beweise, dass die „Verschwörer“ staatsfeindliche Beziehungen zu Russland unterhalten hätten. Davon war indessen in der Anklage nicht mehr die Rede.
Die Ereignisse des 5. Mai in Mukhrowani waren in erster Linie Ausdruck der starken Unzufriedenheit vieler Offiziere und Soldaten der georgischen Streitkräfte mit der Art, wie im August 2008 der Krieg gegen Russland ausgelöst und geführt worden war. Darüber hinaus stellte der Protest auch eine Reaktion auf die oppositionelle Massenbewegung dar, die zu jener Zeit den Rücktritt Saakaschwilis forderte. Die in Mukhrowani versammelten Militärs bekundeten, dass sie nicht bereit seien, sich zur Niederschlagung der Demonstrationen einsetzen zu lassen.
Unter den am Montag Verurteilten sind auch 12 Zivilpersonen, die sich am 5. Mai im Stützpunkt befanden. Das gegen sie verhängte Strafmaß liegt zwischen 9 und 15 Jahren. Noch im Gerichtssaal aus der Haft entlassen wurde hingegen Koba Kobaladse, ehemaliger Kommandeur der Nationalgarde. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn zu einem der Haupträdelsführer aufbauen wollen und 13 Jahre Gefängnis beantragt. Kobaladse bestritt jede Beteiligung an den Ereignissen. Die Anklage gegen ihn hatte sich ausschließlich auf Behauptungen des Kronzeugen Gwaladse gestützt. Das Gericht verurteilte den ehemaligen Generalmajor lediglich wegen „illegalen Waffenbesitzes“ zu acht Monaten, die durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 12. Januar 2010