KNUT MELLENTHIN

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Georgien: Wahlkampf mit Sozialgeschenken

Sieben Kandidaten für die vorgezogene georgische Präsidentenwahl am 5. Januar stehen jetzt fest. Angemeldet hatten sich zunächst 22 Bewerber. Nur 13 schafften es aber, in der kurzen Zeit von zwei Wochen die erforderlichen mindestens 50.000 Unterschriften zu sammeln. Sechs von ihnen wurden nach Prüfung der Listen von der Wahlkommission abgelehnt. Drei Bewerber haben gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt.

Unter den Kandidaten sind Amtsinhaber Michail Saakaschwili, Lewan Gachechiladse als Vertreter eines aus neun Parteien bestehenden Oppositionsbündnisses, David Gankrelidse für die Partei der Neuen Rechten, Schalwa Natelaschwili für die sozialdemokratische Arbeitspartei und der Milliardär Badri Patarkatsischwili, gegen den in Russland Haftbefehl wegen Wirtschaftsverbrechen besteht. Als einzige Frau kandidiert Irina Sarischwili, die Vorsitzende der als "pro-russisch" geltenden Hoffnungspartei.

Bei den abgelieferten Unterschriften liegt Saakaschwili mit 205.000 nur um 3.000 vor Patarkatsischwili. Der Präsident hatte zunächst 140.000 Unterschriften vorgelegt und erst nachsammeln lassen, als er vom Ergebnis seines vielleicht gefährlichsten Konkurrenten erfuhr. Der Vertreter des Oppositionsbündnisses landete mit 63.000 abgelieferten Unterschriften nur auf dem sechsten Platz.

Eine am 2. Dezember veröffentlichte Meinungsumfrage sah Gachechiladse allerdings an zweiter Stelle, hinter dem Amtsinhaber, der danach auf 54,4 Prozent käme. Für Patarkatsischwili würden laut dieser Umfrage 14,5 Prozent der Wähler stimmen. Die regierende Nationalpartei gibt sich zuversichtlich, dass ihr Präsident mit einem Ergebnis zwischen 60 und 70 Prozent wiedergewählt werden wird. Auch das wären weit weniger als die 96 Prozent, mit denen Saakaschwili am 4. Januar 2004 siegte.

Der Präsident und seine Nationalpartei führen ihre Kampagne mit militanten Drohungen gegen die abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien, nationalistischen Parolen gegen Russland, vor allem aber mit sozialen Wahlgeschenken und Versprechungen. Saakaschwilis jüngste Idee ist eine Aufforderung an die Behörden, sämtliche offenen Gas- und Stromrechnungen der Bevölkerung zu bezahlen. Vorausgegangen waren unter anderem eine kräftige Erhöhung der niedrigen Lehrergehälter und eine Steigerung der Renten um fast 50 Prozent. Patarkatsischwili hat nun seinerseits angekündigt, dass er im Fall seiner Wahl zum Präsidenten eine Milliarde Dollar aus seinem Privatvermögen für ein Sozialprogramm ausgeben werde. Politiker der Nationalpartei haben ihm daraufhin Wählerbestechung vorgeworfen.

Dem meist in London oder Tel Aviv lebenden Finanzmann droht in Georgien ein Strafverfahren wegen Verschwörung zum Staatsstreich. Gemeint sind die Massendemonstrationen, die am 7. November durch Verhängung des Ausnahmezustands gewaltsam beendet wurden. Er genießt aber, wie alle Kandidaten, für die Zeit des Wahlkampfs Immunität und hat angekündigt, am Freitag nach Tbilissi zurückzukehren. Das Oppositionsbündnis steht in engem Kontakt zu Patarkatsischwili und würde diesen in einer eventuellen Stichwahl wahrscheinlich unterstützen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 13. Dezember 2002