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Georgien: Regierungsumbildung soll US-Kapital beruhigen
Georgien hat seit Montag eine neue Regierung. Präsident Michail Saakaschwili ernannte am vergangenen Freitag den 36jährigen Lado Gurgenidse zum Premierminister. Er löst Surab Nogaideli ab, der das Amt im Februar 2005 übernommen hatte, nachdem sein Vorgänger Surab Schwania - neben Saakaschwili eine Führungsfigur der "Rosenrevolution" - unter immer noch nicht restlos aufgeklärten Umständen ums Leben gekommen war.
Gurgenidse war bisher Aufsichtsratsvorsitzender der Bank of Georgia (BOG), die mit 34 Prozent Marktanteil das bedeutendste Finanzinstitut des Landes ist. Die BOG befindet sich zu 85 Prozent in ausländischem Besitz; 66,2 Prozent der Anteile hält die Bank of New York Mellon Corporation. Mit Hilfe der BOG kauft sich die New Yorker Bank weiter im Bereich der ehemaligen Sowjetunion ein. So übernahm die BOG vor einigen Monaten die Universal Bank of Development & Partnership in der Ukraine.
Wie Saakaschwili am Wochenende mehrfach betonte, ist die Ernennung von Gurgenidse als vertrauensbildendes Signal an Georgiens Unternehmer, vor allem aber an ausländische Investoren gedacht. Ihnen soll deutlich gemacht werden, dass im Land trotz der schwersten politischen Krise seit der "Rosenrevolution" vor vier Jahren alles unter Kontrolle ist.
Die von Gurgenidse am Montag vorgestellte Regierung weist nur zwei Umbesetzungen auf. Erziehungsminister Alexander Lomaia und Flüchtlingsminister Gia Khewiaschwili wurden abgelöst. An der Arbeit beider Politiker hatte es viel Kritik gegeben. Für den 44jährigen Lomaia bedeutet das Revirement allerdings einen Aufstieg: Der scharfzüngige Hardliner, der zum engsten Führungskreis um den Präsidenten zählt, wird jetzt Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Er habe Lomaia persönlich darum gebeten, erläuterte Saakaschwili am Montag bei einem Treffen mit Akademikern und Wissenschaftlern: "Die Person auf diesem Posten muss fähig sein, prompt auf die inneren und äußeren Bedrohungen zu reagieren, denen unser Land gegenübersteht."
Nach der gewaltsamen Beendigung der Massenproteste und der Verhängung des - inzwischen wieder aufgehobenen - Ausnahmezustands ist Präsident Saakaschwili im Dauereinsatz, um "die Herzen und Hirne" der Bevölkerung zurück zu gewinnen. Täglich trifft er mindestens einmal mit Vertretern bestimmter Berufsgruppen zusammen - Lehrer, Unternehmer, Weinbauern. Diese leiden stark darunter, dass ihr Hauptabnehmer Russland im vorigen Jahr alle Importe gestoppt hat. Das wurde mit hygienischen, medizinischen und qualitätsmäßigen Argumenten begründet. Damals hatte die georgische Führung diese Maßnahme als willkürliche Schikane verteufelt. Jetzt am Wochenende gestand Saakaschwili in der Hauptanbauregion Kakheti, dass der nach Russland gelieferte Wein wirklich abscheulich und untrinkbar gewesen sei. Verantwortlich dafür sei der größte Weinproduzent Georgiens, Lewan Gachechiladse. Er ist der vom Oppositionsbündnis nominierte Gegner Saakaschwilis bei der Präsidentenwahl am 5. Januar.
Die kurze Zeit, die bis dahin noch bleibt, nutzt die georgische Führung für Wahlgeschenke und -wahlversprechen: Die niedrigen Gehälter der Lehrer, seit Jahren ein Anlass für Beschwerden und Proteste, sollen ganz schnell angehoben werden. Die Sozialleistungen für die ärmsten Teile der Bevölkerung sollen deutlich verbessert werden. Die Mindestrenten sollen um 50 Prozent und im nächsten Jahr erneut um 40 Prozent erhöht werden.
Unterdessen wurde dem wichtigsten Sprachrohr der Opposition, dem Privatsender Imedi TV, für drei Monate die Lizenz entzogen. Das aus neun Parteien bestehende Oppositionsbündnis hat für den 25. November eine Großdemonstration zur Unterstützung von Imedi TV angekündigt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 20. November 2007