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Georgien: Aufhebung des Ausnahmezustands beschlossen
Der am 7. November verhängte Ausnahmezustand in Georgien soll am heutigen Freitag um 19 Uhr Ortszeit (16 Uhr unserer Zeit) aufgehoben werden. Das beschloss am Donnerstag das Parlament in Tbilissi mit 153 gegen zwei Stimmen. Aus den Ergebnis geht hervor, dass die Opposition an der Abstimmung nicht teilgenommen oder sich enthalten hat. Dem Parlament gehören 235 Abgeordnete an.
Eine Reihe von Streitfragen bleibt auch nach dieser Entscheidung offen. Das aus neun Parteien bestehende Oppositionsbündnis hat die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte am Donnerstag in einer Erklärung benannt: 1. Wiederzulassung der am 7. November von der Polizei geschlossenen privaten Fernsehsender Imedi und Kawkasia. 2. Paritätische Besetzung der Wahlausschüsse auf Allen Ebenen. 3. Einstellung der Repression gegen Teilnehmer der Protestdemonstrationen am 7. November. Die Erfüllung dieser Forderungen sei die minimale Voraussetzung für die am 5. Januar 2008 stattfindende vorgezogene Präsidentenwahl, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "Wir sind bereit, den Dialog fortzusetzen, aber nur, wenn die Regierung willens ist, diese Probleme sofort zu lösen."
Dafür stehen indessen die jüngsten Anzeichen nicht gut. Die zuständigen Behörden haben am Mittwoch dem Sender Imedi die Lizenz entzogen und seine Konten beschlagnahmt. Der Sender, der als wichtigste Stimme der Opposition gilt, gehört derzeit juristisch dem neokonservativen Medienzaren Rupert Murdoch. Die georgische Regierung wirft dem Sender vor, Interviews mit Oppositionspolitikern gesendet zu haben, in denen zum Umsturz aufgerufen worden sei.
Ein weiteres Signal für einen Konfrontationskurs der Regierung ist die am Mittwoch bekannt gegebene Erneuerung des Haftbefehls gegen Irakli Okruaschwili. Der frühere Verteidigungsminister war Ende September festgenommen worden, nachdem er seinem langjährigen Weggefährten, dem Präsidenten Michail Saakaschwili, Korruption, Gesetzesmissbrauch und sogar Mordpläne vorgeworfen hatte. Nach einem fragwürdigen Geständnis wurde Okruaschwili Anfang Oktober gegen eine riesige Kaution aus der Haft entlassen und drei Wochen später ins Ausland abgeschoben. Angeblich hält er sich zur Zeit in Deutschland auf.
Keine Einigung auch in der Frage der Wahlausschüsse. Die Regierung will zu den Kommissionen auf Kommunalebene nur die Neuen Rechten und die Industriellenpartei zulassen, die beide nicht zum Oppositionsbündnis gehören.
Unterdessen hat ein Militärsprecher in Moskau am Donnerstag bekannt gegeben, dass Russland die Auflösung seiner Stützpunkte in Georgien vollständig abgeschlossen hat. Der Abzug der letzten russischen Soldaten aus Batumi war nach dem mit der Regierung in Tbilissi vereinbarten Zeitplan erst Ende 2008 vorgesehen. Bereits die Räumung des Stützpunktes Akhalkalaki im Juni war vier Monate vor der vereinbarten Zeit erfolgt. Beobachter in Moskau gehen davon aus, dass die russische Regierung einen militärischen Konflikt mit Georgien befürchtet und durch den vorzeitigen Abzug vermeiden will, dass russische Soldaten als Geiseln genommen werden können.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 16. November 2007