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Ende einer Ära
Mit dem Präsidentenwechsel verliert die frühere Staatspartei Georgiens auch den letzten Rest ihrer Macht.
Zehn Jahre nach der von ihm geführten georgischen „Rosenrevolution“ hat Michail Saakaschwili am Sonntag auch das Präsidentenamt verloren, nachdem die autoritäre Herrschaft seiner Vereinigten Nationalbewegung schon vor einem Jahr beendet wurde. Der Kandidat des seit Oktober 2012 regierenden Parteienbündnisses Georgischer Traum, Giorgi Margwelaschwili, setzte sich mit etwa 62 Prozent klar gegen seinen Konkurrenten von der Nationalbewegung, Davit Bakradse durch, der nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen bei 21,9 Prozent lag. Bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung von nur 46,6 Prozent bedeutet das allerdings auch, dass nicht einmal ein Drittel der 3,54 Millionen georgischen Wahlberechtigten für den neuen Präsidenten gestimmt hat.
Bakradse gestand schon nach dem Bekanntwerden der ersten Nachwahl-Umfrage seine Niederlage ein und gratulierte dem Gewinner. Zugleich bekundete er seine Bereitschaft, mit Margwelaschwili und der Regierung zusammenzuarbeiten. Das ist angesichts der Schärfe, mit der sich Nationalbewegung und Georgischer Traum normalerweise anfeinden, ein bemerkenswerter Ton. Für Saakaschwili repräsentiert das seit einem Jahr regierende Wahlbündnis „das alte Georgien“, womit er im Grund die Strukturen der Sowjetunion meint und zugleich den Vorwurf der Orientierung an russischen Interessen erhebt. Regierungschef Bidsina Iwanischwili, der den Georgischen Traum absolut dominiert, hat sein auf über fünf Milliarden geschätztes Vermögen größtenteils in Russland erworben und tritt für eine Normalisierung der Beziehungen zum großen Nachbarn ein. Zugleich strebt er aber, ebenso wie das gesamte von ihm geführte Parteienbündnis, die wirtschaftliche und militärische Integration Georgiens in die Europäische Union und die NATO an.
Saakaschwili war erstmals im Januar 2004 mit atemberaubenden 96 Prozent – bei einer stattlichen Wahlbeteiligung von 82,8 Prozent – ins Präsidentenamt gewählt worden. Seine Wiederwahl fünf Jahre später erfolgte mit nur noch 53,73 Prozent, bei einer Wahlbeteiligung von 56,19 Prozent. Ein drittes Mal hätte er jetzt nicht kandidieren dürfen. Die auf Saakaschwili zugeschnittene Verfassung stattete den Präsidenten mit außerordentlich umfangreichen Rechten und Vollmachten aus. Diese fallen jedoch, wie schon vor längerer Zeit beschlossen worden war, künftig weg. Dadurch wird die Stellung des Parlaments und der Regierung gestärkt, zugleich aber wird das Präsidentenamt sehr viel uninteressanter als bisher.
Das mag, neben anderen Faktoren, erheblich zu der niedrigen Wahlbeteiligung beigetragen haben. Mit dem von Iwanischwili persönlich ausgesuchten Margwelaschwili schickte der Georgische Traum einen weder bedeutenden noch populären und nicht einmal sonderlich bekannten Kandidaten ins Rennen. Der 44jährige Philosophie-Wissenschaftler gehört keiner Partei an, ist eher Akademiker als Politiker und amtierte seit vorigem Jahr als Bildungsminister. Sein Hauptgegner, der 41jährige Bakradse, eigentlich ein Mathematiker und Physiker, absolvierte später eine zweite Ausbildung am Marshall Center für Sicherheitsstudien in Deutschland und an der NATO-Militärschule in Rom; er amtierte unter Saakaschwili unter anderem als Außenminister.
Insgesamt waren zur Präsidentenwahl 23 Bewerber angetreten. Eine gewisse Bedeutung hatte jedoch, neben dem Sieger und seinem Hauptkonkurrenten, nur die frühere Parlamentssprecherin Nino Burdschanadse, die mit rund 10 Prozent auf dem dritten Platz landete. Die jetzt 51Jährige hatte im Herbst 2003 zusammen mit Saakaschwili und Surab Schwania, der im Februar 2005 unter immer noch nicht restlos geklärten Umständen starb, das Führungstrio der „Rosenrevolution“ gebildet.
Saakaschwili, einst „der jüngste Präsident Europas“, hofft mit jetzt 45 Jahren auf ein politisches Comeback. Zunächst drohen ihm jedoch mehrere Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch, Korruption und nicht zuletzt auch wegen des Todes von Schwania. Mit Wano Merabischwili und Bacho Akhalaia sind schon zwei von Saakaschwilis ehemaligen Ministern in Haft. Ein dritter, Davit Keseraschwili, wird in Frankreich festgehalten, wo noch über seine Abschiebung entschieden werden muss.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 29. Oktober 2013