KNUT MELLENTHIN

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"Zunehmend aggressivere Maßnahmen"

Mehrere westliche Staaten ordnen neue Sanktionen gegen Iran an. Russland verurteilt die Maßnahmen als "inakzeptabel" und "gegen das internationale Recht".

Die USA, Großbritannien und Kanada haben am Montag ihre Sanktionen gegen Iran verschärft. Die Europäische Union berät ebenfalls über zusätzliche Strafmaßnahmen. Frankreichs Ministerpräsident Sarkozy hat sich mit der Forderung nach einem Verbot aller Erdöl-Importe aus dem Iran auf Platz Eins unter den Scharfmachern gedrängt. Dagegen hat das russische Außenministerium die jüngsten Maßnahmen scharf kritisiert.

Die US-Regierung hat das gesamte iranische Finanzwesen unter den Generalverdacht der Geldwäsche gestellt. Damit vermeidet Washington zwar direkte Maßnahmen gegen die Zentralbank des Iran, wie sie von zahlreichen einflussreichen Kongressmitgliedern gefordert werden, erreicht aber letztlich noch stärkere Effekte: Durch die Androhung möglicher Strafverfahren sollen nicht nur Geldinstitute und Wirtschaftsunternehmen der USA, sondern auch aller anderen Länder von jeglichem Geschäftsverkehr mit dem Iran abgeschreckt werden.

Finanzminister Timothy Geithner beschrieb in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Chefin des State Department, Hillary Clinton, die erhofften Auswirkungen der neuen Maßnahme so: „Wenn Sie ein Finanzinstitut irgendwo auf der Welt sind und sich an irgendeiner Transaktion beteiligen, in die Irans Zentralbank oder irgendeine andere iranische Bank, die innerhalb oder außerhalb Irans arbeitet, verwickelt ist, dann riskieren Sie, Irans illegale Aktivitäten zu unterstützen: sein Streben nach Atomwaffen, seine Unterstützung des Terrorismus, und seine Aktivitäten, mit denen sie verantwortungsbewusste Finanzinstitute täuschen und die Sanktionen unterlaufen wollen."

Daneben hat Barack Obama auch Sanktionen gegen alle Unternehmen angeordnet, die die erdölverarbeitende Industrie des Irans in irgendeiner Weise unterstützen. Da dies für US-amerikanische Firmen schon länger verboten ist, richten sich die angedrohten Strafmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen. Außenministerin Clinton hat zugleich eine „weltweite diplomatische Kampagne“ angekündigt, um noch widerstrebende Regierungen zu „ermutigen“, sich der Erpressung durch die USA zu fügen. Drohend setzte Clinton hinzu: „Die heutigen Schritte erschöpfen noch nicht unsere Möglichkeiten für Sanktionen gegen Iran. Wir werden weiter aktiv fortfahren, ein Spektrum zunehmend aggressiverer Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.“

Die britische Regierung verfügte am Montag mit sofortiger Wirkung, dass alle Kredit- und Finanzinstitutionen des Landes jede Art von Geldverkehr mit iranischen Banken, einschließlich der Zentralbank, einstellen müssen. Auch die von Kanada beschlossenen zusätzlichen Sanktionen sehen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Verbot aller finanziellen Transaktionen mit iranischen Banken vor. Daneben wurde dort die Liste der Güter, die nicht in den Iran exportiert werden dürfen, ausgeweitet. Sie enthält nun unter anderem alles, was irgendwie in der Erdöl und Erdgas fördernden oder verarbeitenden Industrie verwendet werden könnte.

Das russische Außenministerium hat die neuen Strafmaßnahmen als „inakzeptabel“ bezeichnet und darauf hingewiesen, dass sie – so weit sie weltweite Gültigkeit beanspruchen - „dem internationalen Recht widersprechen“. Dieses Vorgehen stelle ein ernstes Hindernis für die Bemühungen um einen konstruktiven Dialog mit Teheran dar. „Die Verschärfung des Sanktionsdrucks, die einige unserer Partner fast schon als Selbstzweck betrachten, wird Iran nicht ermutigen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.“

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. November 2011