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Washington setzt auf Drohungen
US-Verteidigungsminister Hagel zeigt sich in Afghanistan und Pakistan wenig diplomatisch.
Das pakistanische Parlament hat am Dienstag eine Resolution verabschiedet, mit der die Regierung in Islamabad aufgefordert wird, sich bei den USA für die sofortige Beendigung der Drohnenangriffe einzusetzen. Es war die dritte derartige Entschließung in weniger als drei Jahren und sie erfolgte, wie die beiden vorangegangenen, einstimmig. Die Angriffe stellten „eine Verletzung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, des internationalen Rechts und der humanitären Normen“ dar, heißt es dort. Ob die Resolution auch konkrete Forderungen an die eigene Regierung enthält, war zunächst nicht bekannt.
Die Nationalversammlung reagierte damit offenbar auf den Besuch von Chuck Hagel am Vortag. Der US-Verteidigungsminister hatte sich am Montag in Islamabad mit dem seit Juni amtierenden Regierungschef Nawaz Sharif getroffen. Weitere Gesprächsteilnehmer waren unter anderem die Finanz- und Verteidigungsminister Pakistans sowie Sharifs Berater für Nationale Sicherheit und Außenpolitik. Sie repräsentieren praktisch die entsprechenden Ressorts, die der Premier formal für sich selbst beansprucht. Am Treffen nahm außerdem der neue Chef des Armeestabs, Raheel Sharif, teil. Der mit dem Premier nicht verwandte General wurde erst am 27. November auf diesen Posten befördert.
Seit Januar 2010 hatte kein US-amerikanischer Verteidigungsminister Pakistan besucht. Beide Regierungen behaupten, dass die Beziehungen zwischen ihnen seit dem Amtsantritt von Sharif, dem Chef der konservativen Nationalpartei, sehr viel besser geworden seien. An Fakten lässt sich das bisher aber noch nicht erkennen. Im August hatte Außenminister John Kerry, der schon in seiner Zeit als Senator einen guten Draht zum pakistanischen Establishment hatte, Gespräche in Islamabad geführt. Im Oktober war Sharif nach Washington gekommen und unter anderem im Weißen Haus empfangen worden. Mit seiner eher bescheiden vorgetragenen Bitte, auf Drohnenangriffe künftig zu verzichten, war er bei Präsident Barack Obama auf taube Ohren gestoßen.
Presseberichten zufolge warnte Hagel seine pakistanischen Gesprächspartner am Montag eindringlich, dass die seit über zwei Wochen andauernden Protestaktionen gegen den NATO-Transit von und nach Afghanistan schleunigst beendet werden müssten. Anderenfalls wäre die Finanz- und Militärhilfe der USA gefährdet. Der Verteidigungsminister habe in diesem Zusammenhang auf „die politische Realität“ im Kongress verwiesen: Viele Abgeordnete und Senatoren fordern eine Herabstufung der sogenannten strategischen Allianz mit Pakistan. Sharif habe, so wird unter Berufung auf ausschließlich anonyme Quellen gemeldet, zugesagt, „das Transitproblem zu lösen“.
Hagel war zuvor in Kabul gewesen, um die Forderung zu bekräftigen, dass Afghanistan das Stationierungsabkommen für die Zeit nach 2014 noch vor Jahresende unterschreiben müsse. Dabei hatte er es ausdrücklich abgelehnt, Präsident Hamid Karzai zu treffen, der den Vertrag noch nachbessern möchte, bevor er seine Unterschrift gibt. Stattdessen sprach Hagel mit Verteidigungsminister Bismillah Khan Mohammadi, dem stellvertretenden Innenminister Mohammad Ajub Salangi und Armeechef Scher Mohammad Karimi. Angeblich erhielt er dabei die Zusage, dass Afghanistan das Abkommen „rechtzeitig“ unterschreiben werde. Der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, James Dobbins, soll gedroht haben, dass die versprochene Finanzhilfe von über 4 Milliarden jährlich ausbleiben werden, wenn sich Kabul jetzt nicht rasch gefügig zeigt.
Karzai rächte sich für die Brüskierung durch Hagel, indem er am Sonntag zu einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani nach Teheran flog. Angeblich wurde dabei Einigkeit über einen „langfristigen Freundschafts- und Zusammenarbeitspakt“ beider Länder erreicht. Ein solches Abkommen wurde schon im August geschlossen. Angeblich ist das jetzige Projekt umfassender. Einzelheiten sind jedoch noch nicht bekannt.
Knut Mellenthin
JungeWelt, 11. Dezember 2013