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Warten aufs Moratorium
Noch keine Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm. Parlamentarische Störmanöver auf beiden Seiten.
Sechs Wochen nach dem Abschluss des Genfer Abkommens zwischen Iran und seinen internationalen Verhandlungspartnern ist immer noch ungewiss, wann das dort vereinbarte sechsmonatige Moratorium in Kraft treten soll. Als Gegenleistung für Beschränkungen des zivilen iranischen Atomprogramms haben die USA und ihre europäischen Verbündeten die Lockerung einiger Sanktionen versprochen. Die Abmachungen sind allerdings so unpräzise formuliert, dass seit Anfang Dezember Gespräche zwischen Experten der sieben beteiligten Staaten stattfinden, um sich über deren konkrete Umsetzung zu verständigen. Die Probleme beginnen schon mit der zeitlichen Abfolge der Schritte: Während die iranische Seite davon ausgeht, dass die gegenseitigen Maßnahmen zeitgleich erfolgen müssen, fordern die USA und die EU, dass zuerst Iran seinen Teil der Vereinbarungen „verifizierbar“ einlösen müsse, bevor an Sanktionserleichterungen auch nur zu denken ist.
Noch vor wenigen Tagen behaupteten iranische Vertreter, dass beide Seiten übereingekommen seien, mit der Durchführung des Moratoriums am 20. Januar zu beginnen. Bei den Expertengesprächen, die anfangs in Wien und später in Genf geführt wurden, seien „gute Fortschritte“ erreicht worden, sagte Sejed Abbas Araqchi, einer der stellvertretenden iranischen Außenminister und praktisch der wichtigste Verhandlungsführer Teherans, am vorigen Mittwoch. Er räumte jedoch gleichzeitig ein, dass noch „mehrere Fragen“ geklärt werden müssten, über die man sich nicht einig sei. Worum es sich dabei handelte, sagte er nicht. Überhaupt ist es den beteiligten sieben Staaten bisher erstaunlich gut gelungen, die Vertraulichkeit ihrer Gespräche zu wahren.
Inzwischen heißt es, dass das Moratorium erst nach einem Treffen zwischen Araqchi und der Stellvertreterin der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, Helga Schmidt, in Kraft treten könne. Ein Termin dafür steht noch nicht fest, doch wird die Begegnung wohl in der zweiten Januarhälfte stattfinden. Ashton ist von der Sechsergruppe – USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – mit der Verhandlungsführung betraut worden.
Indessen endeten am gestrigen Montag die Weihnachts- und Neujahrsferien des US-amerikanischen Kongresses. Es wird erwartet, dass die Vertreter der Pro-Israel-Lobby in beiden großen Parteien jetzt ihre Versuche verstärken und beschleunigen werden, die Verhandlungen mit dem Iran durch neue Sanktionsgesetze zu stören und zum Scheitern zu bringen. Die Zahl der Unterstützer einer schon im Dezember eingebrachten Senatsinitiative ist inzwischen von 26 auf 47 gewachsen. Allerdings müssten mindestens 67 der 100 Senatoren gewonnen werden, um das von Präsident Barack Obama schon angekündigte Veto gegen ein solches Gesetz zu überwinden. Teil des Vorstoßes ist eine Willenserklärung des Senats, dass die USA einen israelischen Überfall auf den Iran „mit diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln“ unterstützen müssten.
Der Führer der republikanischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus, Eric Cantor, hat am Freitag angekündigt, dass er ein Gesetz vorbereitet, mit dem die Verhandlungsfreiheit der US-Administration wesentlich eingeengt werden soll. Unter anderem soll dort vorgeschrieben werden, dass eine umfassende endgültige Regelung mit Iran dessen absoluten Verzicht auf die Anreicherung von Uran enthalten müsse. Das widerspräche allerdings eindeutig dem Genfer Abkommen.
Auf der anderen Seite wird im iranischen Parlament ein Gesetz vorbereitet, das die Regierung verpflichten soll, Uran auf 60 Prozent anzureichern, falls der Westen die bisherigen Vereinbarungen platzen lässt. Von anfänglich 100 ist die Zahl der Abgeordneten, die den Antrag unterstützen, inzwischen auf 218 der insgesamt 290 Parlamentarier gewachsen. Uran dieses Anreicherungsgrades wird als Treibstoff für Atom-U-Boote und -Schiffe verwendet, die Iran jedoch nicht besitzt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. Januar 2014