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Warnung vor "Präventivkrieg"
Ehemalige CIA-Analysten fordern Obama auf, Israels Kriegsabsichten gegen Iran zu verurteilen
Schon während dieses Monats besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Israel durch einen militärischen Alleingang gegen Iran einen größeren Krieg auslöst. Davor warnen mehrere frühere Mitarbeiter des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA in einem Memorandum an Präsident Barack Obama. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die durch ihre Publikationen bekannt gewordenen Phil Giraldi (20 Jahre Dienstzeit) und Ray McGovern (30 Jahre Dienstzeit).
In dem in der vorigen Woche veröffentlichten Brief an Obama schreiben die Autoren: „Israels Führer könnten darauf spekulieren, dass es nach Auslösung der Schlacht für Sie politisch unmöglich wäre, Israel nicht uneingeschränkt zu unterstützen, ganz egal, wie der Krieg begonnen wurde, und dass US-amerikanische Truppen und Waffen dann großzügig fließen würden.“
Die langjährigen CIA-Analysten verweisen in diesem Zusammenhang auf die überwältigen pro-israelischen Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses. Zumal in einem Wahljahr – im November wird das gesamte Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt – könne sich die israelische Führung erfahrungsgemäß ganz besonders auf die Gefügigkeit des Kongresses verlassen. Die Autoren des Memorandums erwähnen auch die Resolution 1553, deren Entwurf im Juli von 47 Republikanern ins Abgeordnetenhaus eingebracht wurde. Darin wird schon im Voraus jeder israelischen Militäraktion gegen Iran politische, finanzielle und materielle Unterstützung zugesichert.
Die von Israel ausgehende Kriegsgefahr könne nur durch eine schnelle, scharf und deutlich formulierte öffentliche Warnung Obamas vor militärischen „Präventivschlägen“ gestoppt werden, empfehlen die Autoren des Memorandums. Sofort im Anschluss daran sollte Generalstabschef Michael Mullen mit der selben Botschaft nach Israel geschickt werden.
Die ehemaligen CIA-Analysten raten außerdem, angesichts der aufgebauten Spannungen im Persischen Golf schleunigst Vorkehrungen gegen die von Unfällen, Fehleinschätzungen oder Provokationen unter falscher Flagge ausgehenden Gefahren ungewollter militärischer Zusammenstöße zu treffen. Dazu sei die Einrichtung einer direkten Kommunikationslinie zwischen Washington und Teheran zweckmäßig. Die Notwendigkeit einer solchen Verbindung sei durch die im Juni verhängten neuen UN-Sanktionen noch dringlicher geworden. Diese erlauben die Durchsuchung iranischer Frachtschiffe in internationalen Gewässern.
Israelische Politiker und Militärs drohen regelmäßig mit Luftangriffen auf den Iran. Der UN-Sicherheitsrat hat es bis heute abgelehnt, sich mit diesen Drohungen auch nur ein einziges Mal zu befassen. In den kommenden Wochen besteht ein erhöhtes Risiko, dass Israel versuchen könnte, das iranische Atomkraftwerk bei Buschehr zu zerstören, bevor es mit radioaktivem Material betriebsfertig gemacht wird. Nach übereinstimmenden Aussagen der iranischen Atomenergiebehörde und des russischen Unternehmens, das den Reaktor gebaut hat, soll die Inbetriebnahme Mitte September erfolgen.
Text des Memorandums:
http://www.consortiumnews.com/2010/080310c.html
Knut Mellenthin
Junge Welt, 9. August 2010