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Warnung vor neuen Sanktionen
Brasilien und die Türkei haben den UN-Sicherheitsrat vor der Verabschiedung neuer Sanktionen gegen den Iran gewarnt. Die USA hatten am Dienstag einen Resolutionsentwurf vorgelegt, dessen Text mit den anderen ständigen Ratsmitgliedern China, Frankreich, Großbritannien und Russland abgestimmt ist. In einer am Mittwoch verbreiteten gemeinsamen Erklärung der Außenminister Celso Amorim und Ahmet Davutoglu heißt es dazu: „Brasilien und die Türkei sind überzeugt, dass es an der Zeit ist, Verhandlungen eine Chance zu geben und Maßnahmen zu vermeiden, die für eine friedliche Lösung der Angelegenheit schädlich wären.“
Die beiden Länder hatten zusammen mit dem Iran am Montag einen Vorschlag veröffentlicht, der klare iranische Zugeständnisse und ein ausdrückliches Verhandlungsangebot enthält. Diese Vereinbarung sei „genau das, was die USA vor fünf Monaten wollten“, sagte der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva am Mittwoch. Er hatte beim Zustandekommen des Teheraner Kompromissvorschlags eine entscheidende Rolle gespielt. „Es liegt jetzt beim Sicherheitsrat, sich hinzusetzen mit dem Willen zum Verhandeln, denn wenn er dazu nicht bereit ist, wird alles wieder zurückgeworfen“, warnte Lula während eines Besuchs in Spanien.
Indessen stellte Iran in ersten Reaktionen Optimismus und Gelassenheit zur Schau. Der Leiter der iranischen Atomenergie-Behörde, Ali Akbar Salehi, erklärte: „Sie werden sich nicht durchsetzen. Indem sie versuchen, diese neue Resolution durchzubringen, werden sie sich in der öffentlichen Meinung selbst diskreditieren.“ - Außenminister Manuchehr Mottaki sagte: „Wir nehmen die Entwicklung in New York“, das heißt am Sitz der UNO, „nicht ernst, weil die Länder, die die Resolution unterstützen, in der Minderheit sind“. Mottaki äußerte sich am Rande einer Außenministertagung der Organisation Islamischer Staaten in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe.
Sachliche Gründe für den iranischen Optimismus sind jedoch nicht zu erkennen. Laut Satzung müssen mindestens neun der fünfzehn Länder, die im Sicherheitsrat vertreten sind, der Resolution zustimmen. Da die fünf ständigen Mitglieder sich bereits grundsätzlich geeinigt haben, fehlen lediglich vier weitere Stimmen. Definitiv gegen den Resolutionsentwurf haben sich bisher nur Brasilien, die Türkei und der Libanon ausgesprochen.
In der von den USA vorgelegten Fassung soll die Resolution die Durchsuchung „verdächtiger“ iranischer Schiffe auf hoher See erlauben. Allerdings dürfen solche Inspektionen nur mit Zustimmung des Staates durchgeführt werden, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Alle Staaten der Welt sind zur Mitwirkung bei den Durchsuchungen aufgerufen.
Insgesamt ist der Entwurf so unpräzis formuliert, dass er der unterschiedlichen Interpretation durch einzelne Staaten maximalen Spielraum bietet. Er schafft daher ideale Voraussetzungen für die zwischen USA und EU bereits verabredeten weitergehenden Sanktionen, die sie in Kraft setzen wollen, sobald die UN-Resolution verabschiedet ist. Russlands Außenminister Sergei Lawrow soll in einem Telefongespräch mit seiner amerikanischen Kollegin Hillary Clinton bereits seine „Besorgnis“ wegen der zu erwartenden einseitigen westlichen Strafmaßnahmen angemeldet haben. Sowohl Russland als auch China fürchten, dass diese sich unter anderem gegen Unternehmen ihrer Länder richten werden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 21. Mai 2010