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Verwirrung um Russlands Rolle im Atomstreit mit Iran
Eine kleine Sensation hatte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am Dienstag in London bei einem Treffen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde bekannt zu geben. So las es sich zumindest in der Online-Ausgabe der israelischen Tageszeitung Haaretz am Mittwoch. Dem linksliberalen Blatt zufolge hatte Olmert seinen Zuhörern anvertraut: "Ich kann eine Einzelheit meines Treffens mit dem russischen Präsidenten Putin in der vorigen Woche enthüllen. Russland hat sich, trotz aller Erklärungen und Gerüchte, entschieden, keinen nuklearen Brennstoff an Iran zu liefern." Russland verstehe, dass dies den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft entspreche.
Einige Stunden später folgte ein Dementi von Olmerts Pressebüro. So, wie von Haaretz zitiert, habe sich der Regierungschef in London nicht ausgedrückt. Vielmehr habe er wörtlich gesagt: "...Russland hat sich, trotz aller Erklärungen und Gerüchte, bisher noch nicht entschieden, ob es dem Iran nuklearen Brennstoff liefern soll."
Sehr viel klarer wird die Sache durch diese Richtigstellung freilich nicht. Auch die jetzt veröffentlichte, durch Olmerts Büro sozusagen offiziell beglaubigte Version lässt den russischen Präsidenten als Lügner und politischen Falschspieler dastehen. Denn Putin hatte bei seinem Besuch in Teheran Anfang der vorigen Woche eindeutig zugesichert, dass Russland an seiner vertraglichen Verpflichtung festhalten werde, dem Iran Brennstoff für das von einem russischen Unternehmen gebaute Atomkraftwerk in Buschehr zu liefern. Nach den Regeln der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA werde Russland mit den Lieferungen einige Monate vor der Übergabe des Reaktors beginnen.
Angesichts der politischen Implikationen des Vorgangs ist seltsam, dass Putin es nach Olmerts Äußerung dabei bewenden ließ, durch einen Mitarbeiter erklären zu lassen, Russland werde seinen Verpflichtungen nachkommen.
Der israelische Regierungschef hatte sich in der vorigen Woche sofort nach Putins Besuch in Teheran kurzfristig zu einem Gespräch mit dem Präsidenten nach Moskau eingeladen. Offenbar verfolgte er dabei die Absicht, einige Äußerungen Putins in der iranischen Hauptstadt "wieder gerade zu rücken". Der Präsident hatte unter anderem gesagt, dass es keine Hinweise auf ein iranisches Atomwaffenprogramm gebe. Nach seinem Treffen mit Putin am vorigen Freitag ließ Olmert durch sein Pressebüro mitteilen, er sei "sehr zufrieden" mit dem Gesprächsverlauf. Putin habe ihm zugesichert, dass Israels "Sicherheitsinteressen" ein "wesentlicher Bestandteil" der russischen Nahostpolitik seien. Putin habe "großes Verständnis für die israelische Position in Allen erörterten Fragen" gezeigt, "besonders zum Thema Iran". - Eine Klarstellung von russischer Seite gab es dazu nicht.
US-Präsident George W. Bush gab sich am vorigen Mittwoch gelassen, als er während einer Pressekonferenz auf Putins Teheraner Äußerungen angesprochen wurde. Der russische Präsident habe ihm, zuletzt während eines Zusammentreffens in Australien, bestätigt, dass es seiner Ansicht nach nicht im Weltinteresse sei, wenn der Iran die Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen hat, und dass man Iran gemeinsam daran hindern müsse. Wenn Putin sich wegen des iranischen Atomprogramms keine Sorgen machen würde, warum habe Russland dann schon zwei Mal Sanktionsbeschlüssen des UN-Sicherheitsrats zugestimmt, fragte Bush. Er hatte damit nicht nur die Lacher, sondern auch die Logik auf seiner Seite. Der russischen Haltung zum Atomstreit mangelt es erkennbar an Gradlinigkeit und Konsequenz.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. Oktober 2007