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Verhandlungen gehen weiter
Treffen zwischen Iran und der Sechsergruppe in Genf. Teherans Außenminister hält Einigung noch in dieser Woche für möglich.
In Genf beginnt heute ein zweitägiges Treffen zwischen Vertretern Irans und der Sechsergruppe, die aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – plus Deutschland besteht. Alleiniges Thema ist erneut der seit zehn Jahren geführte Streit um das iranische Atomprogramm.
Damit werden die Verhandlungen fortgesetzt, die am 15. und 16. Oktober ebenfalls in der Schweizer Stadt geführt worden waren. Iran hatte dort einen umfassenden Vorschlag zur stufenweisen Lösung der Meinungsverschiedenheiten präsentiert. Das Angebot war von westlichen Teilnehmern des Treffens übereinstimmend als das bei weitem konkreteste bezeichnet worden, das jemals von iranischer Seite gemacht worden sei. Über seinen Inhalt ist aufgrund der vereinbarten Vertraulichkeit nach wie vor absolut nichts bekannt. Das ist erstaunlich, da inzwischen viele Personen offiziell über den iranischen Vorschlag informiert wurden – unter anderem die israelische Regierung, führende Mitglieder der US-Kongresses aus beiden großen Parteien und angeblich auch iranische Parlamentarier. Normalerweise werden alle den Atomstreit betreffenden internen Sachverhalte sehr schnell von interessierter Seite an die Medien weitergegeben.
Am Dienstag äußerte sich Teherans Außenminister Mohammad Dschawad Zarif betont optimistisch: Er halte es für möglich, dass beim Genfer Treffen schon eine Vereinbarung erreicht werden könne, sagte er dem französischen Fernsehsender France 24. Freilich könne er nur für den Iran sprechen, schränkte Zarif sogleich ein, und nicht für die andere Seite. Am Montag hatte Präsident Hassan Rouhani bei einem Treffen mit iranischen Parlamentariern überhöhte Hoffnungen zu dämpfen versucht: Niemand solle erwarten, dass alle Problem in Kürze gelöst werden könnten. Die Aufhebung der Sanktionen – für die iranische Bevölkerung ein zentrales Thema von größter Wichtigkeit – erfordere „eine angemessene Menge Zeit“.
Gleichzeitig führt Iran auch die Gespräche mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA weiter. Ihr Verlauf beeinflusst zweifellos auch die Verhandlungen mit der Sechsergruppe, ist aber von diesen unabhängig. Die IAEA will, unterstützt von mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, den Zugang zu Objekten und Personen erzwingen, die mit den Kompetenzen der Behörde nichts zu haben. Diese sind auf den Umgang mit radioaktivem Material beschränkt. Was das angeht, sind die Kontrollen der Behörde im Iran wahrscheinlich ohnehin schon wesentlich intensiver als in anderen Ländern. Bei den Streitfragen geht es beispielsweise um militärische Produktions- und Forschungskomplexe wie Parchin. Iran scheint grundsätzlich bereit, in begründeten Ausnahmefällen auch dort Inspektionen zu genehmigen, hat bisher aber als Voraussetzung eine ausdrückliche Garantie der IAEA verlangt, dass dies nicht als Präzedenzfall interpretiert werden darf.
Das mittlerweile zwölfte ergebnislose Treffen seit Anfang 2012 fand am 28. und 29. Oktober in Wien statt. Am nächsten Montag soll es in Teheran weitergehen. Die iranische Seite hat IAEA-Generaldirektor Jukija Amano zur Teilnahme eingeladen. Der wird aber vermutlich nur kommen, wenn wirklich eine Einigung in Sicht ist. Im Mai 2012 hatte er sich in dieser Hoffnung schon einmal in die iranische Hauptstadt begeben – und war enttäuscht wieder abgereist.
Auf der anderen Seite agieren die notorischen Hardliner und andere Sprachrohre der Pro-Israel-Lobby im US-Kongress, vor allem im Senat, immer noch erstaunlich zurückhaltend. Die übliche Begründung, sie wollten „der Diplomatie eine Chance geben“, ist bei diesem Personenkreis völlig unglaubwürdig. Aber sie scheinen sich aus irgendwelchen Gründen sehr sicher zu sein, dass die Möglichkeit einer Verständigung zwischen den Regierungen der USA und des Iran nicht ernsthaft besteht.
Deutlichstes Signal ist, dass die Verabschiedung neuer Sanktionen immer noch gestoppt ist. Im Senat liegt seit Monaten ein Gesetzentwurf auf Eis, der vom Abgeordnetenhaus im Juli mit 400 gegen 20 Stimmen verabschiedet wurde. Sein Kernstück sieht vor, den iranischen Erdölexport – die bei weitem wichtigste Einnahmequelle des Landes – innerhalb eines Jahres nahezu zum Stillstand zu bringen. Das soll durch die Androhung von wirtschaftlichen Strafmaßnahmen und Repressalien gegen Irans größte Kunden – China, Indien, Südkorea und Türkei – erreicht werden.
Zur Zeit wird offenbar sowohl im Bankenausschuss als auch im Außenpolitischen Ausschuss des Senats an einer eigenen Version des Gesetzes gearbeitet. Diese müsste, sofern sie vom Senat angenommen würde, dann noch mit dem Abgeordnetenhaus vereinheitlicht werden. Das wird nach allgemeiner Einschätzung frühestens im Dezember passieren.
Um die Pro-Israel-Lobby zu beruhigen, hatte die US-Regierung am vorigen Dienstag die Führer von vier Organisationen eingeladen: der offiziellen Lobby AIPAC, des American Jewish Committee, der Anti-Defamation League – nicht viel mehr als ein Ein-Mann-Laden, der allerdings der Demokratischen Partei nahesteht – und der sogenannten Präsidentenkonferenz, des Dachverbandes von rund 50 jüdischen Organisationen der USA. Anschließend wurde, vermutlich gezielt, das Gerücht ausgestreut, die jüdische Seite habe der Regierung zugesichert, 60 Tage lang darauf zu verzichten, für schärfere Sanktionen und mehr Druck zu werben. Das wurde jedoch umgehend von den meisten jüdischen Teilnehmern dementiert.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. November 2013