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Sanktionen ausgetrickst
Iran meldet Selbstversorgung mit Benzin
Die iranische Regierung behauptet, im Kampf gegen die Sanktionen der USA und der EU einen großen Erfolg erreicht zu haben. Am 28. September meldete das Teheraner Ölministerium, dass Iran erstmals eine Ladung Benzin exportiert habe. Die Abhängigkeit von Benzinimporten aufgrund eines Mangels an Raffinerien hatte bisher als eine zentrale Schwachstelle der iranischen Wirtschaft gegolten. Aus dem Bericht auf der Website des Ölministeriums ging nicht hervor, wie groß die exportierte Menge war und wer das Empfängerland war. Es wurde aber angekündigt, dass demnächst eine weitere Lieferung folgen solle.
Die Meldung kam überraschend, denn gerade erst im Juni hatte Iran in Aussicht gestellt, im nächsten Jahr mit Benzin-Exporten beginnen zu wollen. Selbst das hatten Beobachter damals als übermäßig optimistisch eingestuft. Am 7. September folgte durch Ölminister Massud Mirkazemi die Mitteilung, dass Iran genug Benzin herstellen könne, um seinen Bedarf zu decken. Es sei eine Tagesproduktion von 66,5 Millionen Litern erreicht worden. Zuvor – er nannte den genauen Vergleichszeitraum nicht – habe sie lediglich 44 Millionen Liter betragen. Die restlichen über 20 Millionen mussten importiert werden.
Ob die Erfolgsmeldungen der Wirklichkeit entsprechen, ist nicht überprüfbar. Einige Beobachter vermuten, dass Iran außergewöhnlich große Vorräte abgebaut habe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lassen sich aber die iranischen Angaben über einen drastischen Rückgang der Benzin-Importe verifizieren. Nach Aussagen der Ölministeriums sind diese seit Mai stetig und steil gesunken. Zwischen 22. August und 22. September sollen sie nur noch bei 800.000 Liter pro Tag gelegen haben.
In erster Linie spiegelt sich in dieser Entwicklung die Tatsache, dass die meisten großen Benzin-Lieferanten sich inzwischen aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen haben. Die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Resolutionen sagen zu diesem Thema zwar nicht das Geringste aus. Die US-Regierung, unterstützt von ihren europäischen Partnern, hat es aber geschafft, die meisten bedeutenden Lieferfirmen auch ohne eine international akzeptierte Grundlage einzuschüchtern.
Unter dem Stichwort „crippling sanctions“ war das Abschneiden Irans von der Benzin-Zufuhr bisher als das Kernstück der Sanktionsstrategie beschrieben worden. Die Regierungen in Teheran hatten dem Mangel an eigenen Raffinerie-Kapazitäten lange Zeit wenig Aufmerksamkeit gewidmet, da die Versorgung durch Importe problemlos schien. Nach westlichen Angaben musste Iran noch vor wenigen Jahren „fast die Hälfte“, dann 40 Prozent seines Benzin-Bedarfs einführen. Schon vor den jüngsten Kraftanstrengungen war dieser Anteil aber auf nicht viel mehr als ein Drittel gesunken.
Selbst wenn man die jüngsten Aussagen Teherans über das Erreichen der Selbstversorgung anzweifelt, ist offensichtlich, dass die Ausnutzung der Benzin-Abhängigkeit als „Achillesferse“ der iranischen Wirtschaft ausgedient hat. Spätestens in etwa zwei Jahren braucht Iran zumindest unter diesem Aspekt die Sanktionen nicht mehr zu fürchten. Darüber hinaus unternimmt die iranische Regierung schon seit einiger Zeit erhebliche Anstrengungen, um den Benzin-Verbrauch deutlich zu senken. Dazu gehören eine Reduzierung der Abgabe von Benzin zu subventionierten Billigstpreisen, die Förderung von Autos mit Gasantrieb und Maßnahmen gegen den Benzin-Schmuggel, vor allem in den Irak.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. Oktober 2010