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Russisch-iranischer Streit um Buschehr
Der Streit zwischen Russland und Iran um den Zeitplan für die Fertigstellung des Atomkraftwerks Buschehr geht weiter. Dreitägige Verhandlungen in Moskau endeten am Freitag ergebnislos. Noch am Morgen hatte eine russische Sprecherin angekündigt, es werde gegen Mittag eine gemeinsame Erklärung über eine Einigung geben. In der nächsten Woche soll eine russische Delegation nach Teheran reisen, um die Gespräche fortzusetzen.
Der Streit schwelt schon seit Januar. Damals hatte das staatliche russische Unternehmen Atomstroyexport, das den Reaktor baut, bekannt gegeben, dass sich Iran mit den Monatsraten von jeweils 25 Millionen Dollar im Verzug befinde. Dadurch sei der im September vorigen Jahres vertraglich vereinbarte Zeitplan gefährdet. Er sieht vor, dass Russland im März mit der Lieferung von Brennstäben beginnt und der Reaktor im September fertiggestellt ist. Im November soll er dann ans Netz gehen.
Nach russischer Darstellung hat Iran zuletzt im Januar eine Rate bezahlt, die aber unterhalb dem vereinbarten Betrags gelegen habe, und für Februar und März noch gar nichts. Ganz anders die iranische Version. Danach habe es zu Jahresanfang wegen der Umstellung der internationalen Geldtransfers des Iran vom Dollar auf den Euro eine kurze Verzögerung gegeben. Diese sei aber hauptsächlich auf finanztechnisch-organisatorische Schwierigkeiten der russischen Seite zurückzuführen gewesen. Inzwischen befinde sich Iran wieder im vereinbarten Zahlungsrhythmus oder liege sogar vor dem Zeitplan. Russland verlange aber höhere Vorauszahlungen, sagte der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani am Donnerstag. Zugleich deuteten er und andere iranische Sprecher in dieser Frage Kompromissbereitschaft an. Iran sei zu zusätzlichen Zahlungen bereit, um auf gar keinen Fall das Projekt zu gefährden. Von der russischen Seite fordert Iran, mit der für März vereinbarten Lieferung der Brennstäbe zu beginnen. Anderenfalls könne aus einem bisher nur technischen Problem auch ein politisches werden.
Russland hat in Buschehr eine Bauruine übernommen, die von der deutschen Kraftswerks-Union AG nach dem Sturz des Schah-Regimes 1979 hinterlassen worden war. Nachdem unter starken Druck der US-Regierung alle anderen Interessenten abgesprungen waren, unterzeichnete schließlich ein russisches Unternehmen 1995 einen Vertrag über den Weiterbau im Wert von rund einer Milliarde Dollar. Als Termin der Fertigstellung wurde Ende 2000 genannt. Von russischer Seite gab es jedoch, mit immer neuen Begründungen, eine Verschiebung nach der anderen. Nicht auszuschließen ist, dass dahinter geheime russisch-amerikanische Absprachen stehen.
Dafür spricht auch, dass das Atomkraftwerk Buschehr ausdrücklich von den Sanktionen ausgenommen wurde, die der UNO-Sicherheitsrat am 23. Dezember vorigen Jahres gegen Iran verhängte.
Der Zeitpunkt, zu dem der Reaktor fertiggestellt ist und die Einführung der Brennstäbe beginnt, nach bisheriger Vereinbarung im September, stellt ein Limit für Luftangriffe dar, falls man nicht große radioaktive Folgeschäden riskieren will. Die Zerstörung des irakischen Reaktors Osirak durch israelische Kampfflugzeuge am 30. September 1980 erfolgte daher kurz vor diesem Zeitpunkt. So gesehen könnte eine weitere Verschiebung der Fertigstellung von Buschehr dazu dienen, das Fenster für eine Verhandlungslösung länger offen zu halten. Daran könnten insgeheim auch Kreise der iranischen Führung interessiert sein.
Auf jeden Fall zeichnet sich aber ab, dass sich Russland durch seine Verzögerungsmanöver um die lukrative Chance von Folgeaufträgen gebracht hat. Die Ankündigung von Präsident Mahmud Ahmedinedschad, Iran plane jetzt den Bau eines großen Atomkraftwerks ausschließlich aus eigener Kraft, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Russland hatte sich zeitweise Hoffnungen gemacht, dem Iran sieben bis acht weitere Kernkraftwerke verkaufen zu können.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 10. März 2007