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"Reine Spekulation"
Der Inhalt des iranischen Vorschlags zur diplomatischen Lösung des Atomstreits ist nach wie vor nicht offiziell bekannt. Die meisten Mitglieder des US-Kongresses halten sich mit Kommentaren noch zurück.
Aus dem US-Kongress gibt es erwartungsgemäß Widerstand gegen einen Kompromiss mit Iran im Streit um dessen ziviles Atomprogramm. Es handelt sich aber vorläufig nur um vereinzelte Stimmen bekannter Hardliner. Die Mehrheit der Senatoren und Abgeordneten scheint auf detaillierte Informationen über den Vorschlag zu warten, den die Iraner am Dienstag bei einem internationalen Treffen in Genf vorgelegt haben. Das iranische Angebot wird aufgrund einer Verabredung zwischen Allen Beteiligten offiziell als vertraulich behandelt.
Irans Außenminister Mohammad Dschawad Zarif hat am Freitag einen Bericht der arabischen Website Al-Monitor über den angeblichen Inhalt des Vorschlags als „reine Spekulation“ zurückgewiesen. Die Journalistin Barbara Slavin hatte dort am Donnerstag unter Berufung auf eine anonyme iranische Quelle behauptet, Iran sei bereit, die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einzustellen und das vorhandene Material zu Reaktor-Brennstäben für seinen medizinisch genutzten Reaktor in Teheran zu verarbeiten. Die erst 2011 in Betrieb genommene Anreicherungsanlage in Fordo, die nahezu unangreifbar in Bunkern unter einem Bergmassiv liegt, könne in ein Forschungszentrum umgewandelt werden. Außerdem sei für Iran auch eine Produktionseinschränkung in der älteren Anlage von Natanz verhandelbar. Dort wird Uran zur Gewinnung von Reaktorbrennstoff auf 3,5 Prozent angereichert.
Al-Monitor zufolge hat Iran auch für den noch im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak eine Lösung vorgeschlagen. Dort könnte, allerdings nur hypothetisch, später einmal aus verbrauchten Brennstäben Plutonium für Atomwaffen gewonnen werden. Iran verfügt jedoch nicht über die dafür erforderliche Wiederaufbereitungstechnologie und hat auf diese auch bisher schon ausdrücklich verzichtet. Der Genfer Vorschlag sieht darüber hinaus die Möglichkeit vor, die verbrauchten Brennstäbe ins Ausland zu transportieren. Eine solche Lösung wird bereits jetzt für den von russischen Unternehmen gebauten Reaktor in Buschehr praktiziert. Iran soll außerdem angeboten haben, das freiwillige Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterschreiben, das der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erweiterte Kontrollmöglichkeiten einräumt. Im Gegenzug für die iranischen Zugeständnisse müssten schrittweise alle Sanktionen, sowohl die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen als auch die von einzelnen Ländern verhängten, aufgehoben werden.
Drei führende Hardliner der republikanischen Partei, Lindsey Graham, Mark Kirk und Kelly Ayotte, veröffentlichten am Freitag eine gemeinsame Erklärung, in der sie jede Vereinbarung mit Iran ablehnen, die nicht dessen vollständigen Verzicht auf die Anreicherung von Uran und die Demontage seiner Anreicherungsanlagen vorsieht. Vorher dürfe nicht eine einzige Strafmaßnahme aufgehoben oder eingeschränkt werden. „Jetzt ist der Zeitpunkt, wo man die US-amerikanischen und internationalen Sanktionen verstärken und nicht aufweichen muss“, verlangt das Trio und lehnt zugleich auch die Freigabe „eingefrorener“ iranischer Vermögenswerte ab. Einige Medien hatten behauptet, die US-Regierung ziehe eine solche Möglichkeit in Betracht, die es ihr erlauben könnte, dem Iran entgegenzukommen, ohne dafür die Zustimmung des Kongresses zu benötigen. Im Gegensatz dazu könnten die meisten amerikanischen Sanktionen nur vom Kongress aufgehoben werden.
Im Senat liegt derzeit ein Gesetzentwurf auf Eis, den das Abgeordnetenhaus schon am 31. Juli mit 400 gegen 20 Stimmen gebilligt hat. Er sieht scharfe neue Sanktionen vor, insbesondere mit dem Ziel, den iranischen Erdölexport fast vollständig auf null zu reduzieren. Gegner einer Kompromisslösung drohen jetzt damit, dieses Gesetz beschleunigt durch den Senat zu bringen. Allerdings wird der zuständige Bankenausschuss wegen einer Sitzungspause erst frühestens am 28. Oktober darüber beraten können.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 21. Oktober 2013