Funktionen für die Darstellung
Seitenpfad
"Material für zwei Atombomben"
Medien verfälschen neuen Bericht über das iranische Atomprogramm. Gesamter Produktionsprozess unter genauer internationaler Kontrolle.
Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Yukiya Amano, hat am Montag seinen internen Vierteljahresbericht über das iranische Atomprogramm vorgelegt. Der Report soll auf der nächsten Vorstandssitzung diskutiert werden, die am 7. Juni beginnt, und bleibt bis dahin offiziell unveröffentlicht. Viele Medien zitierten und kommentierten aber schon Auszüge aus dem Bericht; außerdem ist er auf mehreren Internet-Seiten dokumentiert. Das vorzeitige „Durchsickern“ der IAEA-Berichte zum Iran ist seit langem üblich und offenbar politisch beabsichtigt.
So stellen diesmal zahlreiche Mainstream-Medien in den Vordergrund, dass Iran mittlerweile „ausreichend Material zum Bau von zwei Nuklearwaffen“ (Spiegel) habe. Das steht jedoch nicht im Bericht und ist in jeder Hinsicht falsch. Aus der im Report genannten Menge von 2427 Kilogramm schwach angereichertem Uran (Stand 1. Mai 2010) könnte man vielleicht zwei sogenannte „schmutzige Bomben“, aber nicht zwei Atomwaffen herstellen. Außerdem müsste dazu das Material von jetzt 3,5 Prozent auf über 90 Prozent angereichert werden. Falls der Iran damit aber auch nur beginnen würde, fiele es sofort auf. Denn, wie im Bericht wieder einmal festgestellt wird, befindet sich der gesamte iranische Lagerbestand an schwach angereichertem Uran unter strikter Aufsicht und Kontrolle der IAEA. Im Übrigen stellt die mittlerweile produzierte Menge an diesem Material keine Überraschung dar: Sie wird in Allen Vierteljahresberichten exakt genannt, und das Produktionstempo ist ebenso bekannt. Der gesamte Prozess ist, wie die IAEA nicht verschweigt, extrem transparent. Noch nie in der gesamten Zeit seit Beginn der Kampagne gegen Iran vor acht Jahren hat die Behörde das Verschwinden nennenswerter Mengen von Uran aus dem von ihr überwachten Ablauf festgestellt.
Auch die Uran-Anreicherung auf 20 Prozent für medizinische Zwecke, die der Iran im Februar begonnen hat, wird von der Behörde durch Kameras und durch zwei unangemeldete Inspektionen pro Monat vollständig überwacht. Materialzufuhr und Produktion werden exakt kontrolliert.
In einer ersten Stellungnahme zum neuen Bericht kritisierten iranische Sprecher, dass der mit Brasilien und der Türkei am 17. Mai vereinbarte Teheraner Kompromissvorschlag darin mit keinem Wort erwähnt ist. Die IAEA wird über dieses Angebot bald entscheiden müssen, und die Vorstandssitzung in der nächsten Woche wäre die richtige Gelegenheit, um damit zu beginnen.
Für die US-Regierung kommentierte Mike Hammer, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, den IAEA-Report erwartungsgemäß: Er zeige eindeutig „Irans fortgesetztes Versäumnis, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, und seine anhaltend mangelnde Zusammenarbeit mit der IAEA“. Iran weigere sich nach wie vor, „irgendeinen der Schritte zu unternehmen, die vom UN-Sicherheitsrat und vom IAEA-Vorstand verlangt werden und die erforderlich sind, um konstruktive Verhandlungen über die Zukunft seines Atomprogramms zu ermöglichen“.
Die US-Regierung hat als Reaktion auf den Teheraner Kompromissvorschlag am 18. Mai den Entwurf einer neuen Sanktionsresolution in den UN-Sicherheitsrat eingebracht. Der Text ist angeblich mit Russland und China abgesprochen. Die Ratsmitglieder Türkei, Brasilien und Libanon haben sich öffentlich gegen weitere Sanktionen ausgesprochen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 2. Juni 2010