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Krieg oder Diplomatie?
Iran übergibt neue Vorschläge zum Atomstreit. Israelischer Ex-Geheimdienstchef droht mit Militärschlägen
Der frühere Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad hat sich für Militäraktionen gegen Iran ausgesprochen. Das sei die einzige Möglichkeit, das Land an der Erreichung einer Atomwaffen-Kapazität zu hindern, behauptete Danny Jatom am späten Mittwochabend in einer Sendung des Armee-Rundfunks. „Israel kann nicht daneben stehen und zusehen, wie Teheran Atommacht wird“, sagte Jatom, der als Abgeordneter der Arbeitspartei der Knesset angehört hatte. Er glaube aber nicht, dass „eine von den USA geführte Welt bereit sein wird, das Risiko zu übernehmen, das mit Angriffen gegen die iranischen Atomanlagen verbunden ist“.
Die Äußerungen des früheren Geheimdienstchefs widerspiegeln die überspannte Nervosität der führenden Kreise Israels, die jedes Mal ausbricht, wenn die „Gefahr“ einer unkriegerischen Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm sich auch nur ganz gering und entfernt am Horizont abzeichnet.
Zuvor hatte, ebenfalls am Mittwoch, der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki in Teheran ein bereits angekündigtes „Vorschlagspaket“ an die Botschafter Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschland, Russlands und der Schweiz – die die diplomatischen Interessen der USA im Iran wahrnimmt – übergeben. Teil der Vorschläge ist offenbar eine direkte Einladung an die Iran-Sechs zu Gesprächen in Teheran. Über den Inhalt des Pakets ist nichts bekannt. Ali Asghar Soltanisch, der iranische Vertreter bei der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien, teilte vor Journalisten lediglich mit, es gehe in dem Papier um „Sicherheit, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, Abrüstung und Energie-Themen, einschließlich der Atomenergie“.
Der Sprecher des US-Außenministerium, Ian Kelly, kündigte daraufhin an, seine Regierung werde das iranische Dokument „ernsthaft und sorgfältig“ prüfen, mit den Partnern in der Iran-Sechs-Gruppe darüber beraten und sich anschließend in den kommenden Tagen dazu äußern. Seine Regierung hoffe, dass Iran sich „konstruktiv verhalten“ werde. Teheran habe „die Wahl zwischen weiterer Isolierung von der internationalen Gemeinschaft“ oder einer „Wiedereingliederung“ in diese.
Indessen ist eine diplomatische Verständigung nach wie vor unwahrscheinlich. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschaft hatte am Montag die Ankündigung einer Gesprächseinladung nach Teheran mit der klaren Aussage verbunden, dass „die selbstverständlichen Rechte der iranischen Nation“ niemals Gegenstand von Verhandlungen sein würden. Gemeint ist die Produktion von schwach angereichertem Uran für zivile Zwecke unter vollständiger Kontrolle der IAEA. USA und EU fordern deren Einstellung, obwohl Iran dazu als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags berechtigt ist. Außerdem haben vor allem die USA, teilweise auch die EU, inzwischen einen nicht exakt definierten Wust weiterer Forderungen an Iran nachgeschoben, wie etwa die Aufgabe der Unterstützung von Hisbollah und Hamas.
Falls Iran nicht bis spätestens Ende September eindeutig signalisiert hat, dass es zu Verhandlungen über die Einstellung der Urananreicherung und aller damit im Zusammenhang stehenden Arbeiten bereit ist, wollen sich die USA und die EU gemeinsam dafür einsetzen, dass der UN-Sicherheitsrat drastisch verschärfte Sanktionen gegen Iran beschließt. Falls China und Russland dabei nicht mitziehen, wollen USA und EU die neuen Strafmaßnahmen im Alleingang praktizieren. Geplant ist, die Lieferung von Erdöl-Raffinerie-Produkten, hauptsächlich Benzin, an Iran zu verhindern. Wegen fehlender eigener Kapazitäten muss das Land derzeit ungefähr die Hälfte seines Bedarfs importieren. Sanktionen auf diesem Sektor würden in erster Linie die Bevölkerung treffen, gleichzeitig aber Iran zwingen, den Ausbau seiner eigenen Kapazitäten beschleunigt voranzutreiben.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 11. September 2009