KNUT MELLENTHIN

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Krieg ist Frieden. Und 2007 ist 1984

Am Sonntag rief der französische Außenminister Bernard Kouchner im Fernsehen die Welt dazu auf, sich im Streit um das iranische Atomprogramm "auf das Schlimmste vorzubereiten". Und das Schlimmste sei, so der Minister, ein Krieg.

Am Montag versuchte Kouchner gegenüber der Tageszeitung Le Monde abzuschwächen: "Ich will nicht, dass man sagt, ich sei ein Kriegstreiber. Meine Botschaft war eine Botschaft des Friedens, des Ernstes und der Entschlossenheit."

Dieser Interpretation schloss sich die Bundesregierung an: Kouchners Äußerung sei keine Kriegsdrohung, sondern sie zeige lediglich, "wie ernst unsere Freunde die Lage einschätzen", sagte ein Sprechers des deutschen Außenministeriums.

"Das Mittel zur Vermeidung eines Krieges sind Sanktionen", erläuterte Kouchner in der Le Monde. "Die, die wirksam sind, sind die der Amerikaner: Wirtschaftssanktionen, gegen die großen Vermögen, gegen die Banken."

Gemeint sind Zwangsmaßnahmen, die über die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats vom Dezember 2006 und März 2007 hinausgehen. Sanktionen ohne Zustimmung Russlands und Chinas, die zunehmend auf Distanz zum Konfrontationskurs von EU und USA gehen. Das hatte Kouchner schon in seiner Fernsehansprache am Sonntag gefordert und hinzugefügt, es handle sich dabei um einen Vorschlag "unserer deutschen Freunde". Da aus Berlin kein Dementi zu vernehmen war, muss davon ausgegangen werden, dass Kouchner die Wahrheit sagte. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass seine Regierung große französische Unternehmen wie den Ölkonzern Total und den Energiekonzern Gaz de France aufgefordert habe, keine neuen Verträge mit dem Iran abzuschließen. Auch der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm verkündete am Montag stolz, dass der deutsch-iranische Handel bereits stark vermindert worden sei.

"Wer einen Krieg vermeiden will, muss für eine Ausweitung und Verschärfung der wirtschaftlichen Strafmaßnahmen eintreten": Das ist die gemeinsame deutsch-französische Botschaft. Eine Friedensbotschaft ist das jedoch ganz und gar nicht. Sanktionen verhindern den Krieg nicht, sondern sie führen zu ihm hin. Dieses Ergebnis ist voraussehbar, also offenbar gewollt. Der Irak war auch nach zwölf Jahren Sanktionen nicht in die Knie gegangen. Aber er war in dieser Zeit so geschwächt und international isoliert worden, dass die US-Regierung ohne den Segen des UN-Sicherheitsrats den Angriff befehlen konnte.

Auch vom Iran ist keine Kapitulation zu erwarten. Schon gar nicht angesichts der direkten Kriegsvorbereitungen der USA, die einen Angriff noch während der Amtszeit von Präsident George W. Bush befürchten lassen. Die Kombination von wirtschaftlicher Erpressung und ständigen Kriegsdrohungen ist keine Diplomatie. Der Weg zu einer nicht-militärischen Lösung, für die die Zeit immer knapper wird, kann nur über Verhandlungen ohne Vorbedingungen und Säbelrasseln führen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 19. September 2007