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Krieg gegen Iran "verrückt"
Der türkische Regierungschef Erdogan kritisiert westliche Haltung im Atomstreit. Harte Worten gegen Merkel und Sarkozy.
Vor seinem heute beginnenden zweitägigen Besuch in Teheran hat sich der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan eindeutig von der westlichen Position im Streit um das iranische Atomprogramm distanziert. Behauptungen, dass Iran den Bau von Nuklearwaffen anstrebe, bezeichnete der Politiker in einem Gespräch mit der britischen Tageszeitung Guardian als „Gerüchte“. Er mache sich viel mehr Sorgen wegen der Kriegsdrohungen gegen Iran. Militärschläge gegen die iranischen Atomanlagen, wie sie immer wieder von US-amerikanischen und israelischen Politikern befürwortet werden, wären „verrückt“.
Darüber hinaus warf Erdogan den Ländern, die Iran zum Verzicht auf sein ziviles Atomprogramm zwingen wollen, Heuchelei vor: „Es gibt eine Verhaltensweise, die nicht gerade fair ist. Denn diese Länder haben selbst sehr starke nukleare Strukturen und bestreiten das auch gar nicht. Alle ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats besitzen Atomwaffen. Außerdem gibt es Länder, die nicht der Internationalen Atomenergie-Behörde angehören und ebenfalls Atomwaffen besitzen. Während also Iran keine Atomwaffe hat, besitzen diejenigen, die sagen, dass Iran keine haben darf, selbst welche.“
Auf eine Frage des britischen Blattes nach dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad antwortete Erdogan: „Kein Zweifel, er ist unser Freund. Wir unterhalten sehr gute Beziehungen und haben überhaupt keine Schwierigkeiten miteinander.“
Und was ist mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Opposition gegen den EU-Beitritt der Türkei anführt, fragte der Guardian weiter. Erdogans Antwort: „Unter den Führern Europas gibt es einige, wie Frankreich und Deutschland, die Vorurteile gegen die Türkei haben. Früher unter Chirac hatten wir ausgezeichnete Beziehungen und er war sehr positiv gegenüber der Türkei eingestellt. Aber in der Zeit von Sarzoky ist das nicht mehr der Fall. Das ist ein unfaires Verhalten. Die Europäische Union verstößt gegen ihre eigenen Regeln.“
Der türkische Regierungschef setzte hinzu: „In der EU würden wir Brücken zwischen den 1,5 Milliarden Muslimen und der nicht-muslimischen Welt bauen. Das sollten die Europäer einsehen. Wenn sie das ignorieren, wird es die EU schwächen.“
Seit Erdogan im März 2003 das Amt des Premierministers übernahm, haben sich die zuvor eher kühlen Beziehungen zwischen dem NATO-Mitglied Türkei, das durch eine „strategische Allianz“ mit Israel verbunden ist, und dem Iran sehr verbessert. Das Nachbarland hat sich zu einem bedeutenden Absatzmarkt für türkische Exportgüter entwickelt, während die Türkei an iranischem Erdgas interessiert ist.
Erdogan wird bei seinem Besuch in Teheran von einer großen Arbeitsdelegation begleitet, der 200 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik, darunter auch mehrere Minister (Äußeres, Energie und Außenhandel), angehören.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. Oktober 2009