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Kleiner Forschritt
Durchbruch in den Verhandlungen zwischen Iran und der internationalen Atombehörde. Israel torpediert friedliche Lösung durch Maximalforderungen.
Zwischen Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde ist es offenbar zu einer weitgehenden Einigung über die Besichtigung militärischer Anlagen gekommen, die rechtlich nicht in die Kompetenz der IAEA fallen. Im Zentrum steht dabei der Komplex Parchin, der 20 bis 30 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Teheran liegt. Inspektoren der Behörde waren bereits 2005 zwei Mal dort, ohne Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag zu finden. Die IAEA vermutet aufgrund von geheimdienstlichen Quellen aus nicht genannten Staaten, dass Iran in Parchin Tests für die Entwicklung eines Atomwaffenzünders durchgeführt habe. Iran bestreitet diesen Verdacht.
Frühere Versuche der IAEA, Zutritt zu den Anlagen in Parchin zu erhalten, waren bei Gesprächen, die im Januar und Februar in Teheran geführt wurden, gescheitert. Iran verlangte als Vorbedingung den Abschluss einer detaillierten schriftlichen Vereinbarung, die solche Inspektionen, die nicht Teil der regulären Tätigkeit der Atombehörde sind, regelt. Damit soll die Schaffung eines Präzedenzfalls verhindert werden: Der UN-Sicherheitsrat hat Iran in mehreren sanktionsbewehrten Resolutionen aufgefordert, der IAEA ein generelles Zugangsrecht zu sämtlichen Orten, Personen und Dokumenten des Landes zu gewähren. Dieses Begehren wird vom Iran als rechtlich unbegründet abgelehnt.
Die Iraner haben sich nun offenbar mit ihrer Forderung nach einer speziellen Vereinbarung durchgesetzt. IAEA-Generaldirektor Jukija Amano, der am Montag eine Reihe von Gesprächen in Teheran geführt hatte, teilte der Presse anschließend mit, dass es zwar noch einzelne Meinungsverschiedenheiten gebe, aber dass er mit der baldigen Unterzeichnung eines Abkommens rechne. Schon die überraschende Ankündigung der Reise Amanos war als Signal für einen nahe bevorstehenden Durchbruch interpretiert worden. Es war der erste Besuch des Generaldirektors im Iran seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2009. Mehrere frühere Einladungen nach Teheran hatte Amano ausgeschlagen.
Die jetzt erzielten Fortschritte gelten es günstiges Zeichen für die Gespräche zwischen dem Iran und der Gruppe der 5+1, die heute in der irakischen Hauptstadt Bagdad beginnen. Bereits bei einem vorausgegangenen Treffen im türkischen Istanbul Mitte April war man sich näher gekommen. Die Sechsergruppe, die die Verhandlungen mit den Iranern führt, besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – sowie Deutschland. Die Gespräche finden in dieser Zusammensetzung seit 2008 statt.
Eine Einigung wird allerdings sehr viel schwieriger werden als die sich jetzt andeutende Verständigung zwischen Teheran und der IAEA über die Inspektionen, da vom Iran mehr oder weniger weit gehende Abstriche von seinem unstrittig legalen zivilen Atomprogramm gefordert werden. Dennoch wächst in Jerusalem die Sorge, dass es zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen könnte. Israelische Diplomaten waren in den vergangenen Wochen in Europa, den USA und Russland unterwegs, um die Verhandlungen durch Maximalforderungen zu torpedieren.
Ganz in diesem Sinn hat der US-Senat am Montag neue Sanktionen gegen Unternehmen und Staaten beschlossen, die mit Iran geschäftliche Beziehungen unterhalten. Diese Strafmaßnahmen sollen in Kraft bleiben, so lange Iran nicht vollständig auf jede Anreicherung von Uran verzichtet. Damit wäre der Regierung in Washington der Weg zu einem Kompromiss verbaut. Die Resolution war maßgeblich von der Pro-Israel-Lobby AIPAC mitformuliert worden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. Mai 2012