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Katastrophale Folgen
Russland hat Israel erneut vor einem Angriff auf den Iran gewarnt. „Selbstverständlich wäre jedes mögliche militärische Szenario eine Katastrophe für die Region und für das gesamte System der internationalen Beziehungen“, sagte Moskaus stellvertretender Außenminister Gennadi Gatilow am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. „Deshalb hoffe ich, dass sich Israel über all diese Folgen im Klaren ist. Sie sollten auch die Folgen in Betracht ziehen, die das für sie selbst hätte.“
Ebenfalls am Mittwoch hat Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei das völlige Desinteresse Irans an Atomwaffen bekräftigt. Vor leitenden Mitgliedern der nationalen Atombehörde und Nuklearwissenschaftlern sagte er, sein Land habe niemals solche Waffen gewollt und werde auch künftig nicht nach ihnen streben. „Zweifellos wissen die Entscheidungsträger in den Ländern, die gegen uns auftreten, dass Iran keine Atomwaffen will, weil die Islamische Republik ihren Besitz aus logischen, religiösen und theoretischen Gründen für eine schwere Sünde hält. Wir glauben, dass die Verbreitung solcher Waffen sinnlos, zerstörerisch und gefährlich ist.“
Der Iran sei seit dem Sieg der islamischen Revolution – 1979 – Sanktionen ausgesetzt, während das Atomthema erst seit wenigen Jahren auf dem Tisch sei, sagte Khamenei weiter. Das zeige, dass der Westen in Wirklichkeit ein Problem mit einer Nation habe, die sich für Unabhängigkeit entschieden habe.
Zuvor hatten die Bemühungen um eine unkriegerische Lösung des Atomstreits einen politischen Rückschlag erlitten. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zog in einer kurzen Presseerklärung ein negatives Fazit der Gespräche, die eine hochrangige Delegation der Organisation am Montag und Dienstag in Teheran geführt hatte. Es sei „enttäuschend“, dass Iran die Forderung der IAEA nach Zugang zum Industrie- und Forschungskomplex in Parchin nicht akzeptiert habe, erklärte IAEA-Generaldirektor Jukija Amano. Leider sei auch keine Einigung über ein von seiner Behörde vorbereitetes Papier erreicht worden, „das die Klärung unerledigter Themen erleichtern sollte“.
In Parchin befinden sich angeblich militärische Anlagen, die aber nicht Teil des iranischen Atomprogramms sind. Nach dem Atomwaffensperrvertrag und den später geschlossenen Durchführungsvereinbarungen ist die IAEA, eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, ausschließlich für Anlagen zuständig, in denen mit nuklearem Material gearbeitet wird. Die Atombehörde versucht, gegenüber dem Iran ein generelles Zugangsrecht ihrer Inspektoren zu Allen Anlagen, Personen und Dokumenten durchzusetzen, an denen sie interessiert ist. Das lehnt die iranische Seite ab. Aus der Vorgeschichte des Irakkrieges vom Frühjahr 2003 ist bekannt, dass solche unbegrenzten Inspektionsrechte zum Ausforschen potentieller Angriffsziele missbraucht werden können.
Auffallend ist, dass Amano seine Erklärung bereits am Dienstag gegen Mitternacht veröffentlichen ließ, kurz nachdem die IAEA-Delegation aus Teheran abgeflogen war. Er hatte also nicht einmal deren Bericht abgewartet, wie er es bei einem früheren Besuch Ende Januar getan hatte.
Die Chefredaktion der Washington Post, neben der New York Times die wichtigste Tageszeitung der USA, sprach sich am Mittwoch in einem Leitartikel gegen jeden Verhandlungskompromiss mit dem Iran aus. Sie schloss sich damit ausdrücklich der Argumentation von zwölf Senatoren an, die als Sprecher der Pro-Israel-Lobby bekannt sind, darunter der Unabhängige Joe Lieberman, der Demokrat Chuck Schumer und der Republikaner John McCain. Die zwölf hatten am vorigen Donnerstag in einem Brief an Obama erklärt, dass sie „stärkstens“ jedem Vorschlag entgegentreten würden, der in irgendeiner Form das Recht Irans auf die Anreicherung von Uran zu zivilen Zwecken anerkennen sollte.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. Februar 2012