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Iran prüft noch
Iran wird Mitte dieser Woche offiziell erklären, ob es einem Deal zustimmt, der unter Vermittlung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) mit Russland, Frankreich und den USA ausgehandelt wurde. Die Gespräche hatten vom 19. bis 21. Oktober am Sitz der Behörde in Wien stattgefunden. Die vier Delegationen hatten sich dabei auf die Grundsätze einer Einigung verständigt, die IAEA-Generalsekretär Mohamed ElBaradei anschließend in einem Vertragsentwurf zusammengefasst hatte. Während die Regierungen Russlands, Frankreichs und der USA schon am Freitag voriger Woche bekannt gaben, dass sie den Entwurf akzeptieren, will Teheran den Vorschlag zunächst gründlich prüfen. Einflussreiche iranische Politiker, darunter Parlamentspräsident Ali Laridschani, der früher selbst Chefunterhändler seines Landes in den Atomgesprächen war, haben Kritik an dem Deal geäußert. Die IAEA geht aber dennoch davon aus, dass Iran die Vereinbarung „in einem günstigen Licht“ betrachten werde.
Einzelheiten des Vertragsentwurfs wurden bisher nicht veröffentlicht. So weit bekannt wurde, ist vorgesehen, dass Iran rund 1200 Kilogramm niedrig angereichertes Uran – das sind 75 bis 80 Prozent seiner Vorräte – nach Russland liefern wird. Dort soll das Material von jetzt 3,5 Prozent auf 19,75 Prozent angereichert werden. Anschließend soll es in Frankreich zu Metallplatten verarbeitet werden. Diese werden zum Betrieb eines Versuchsreaktors in Teheran benötigt, der medizinische Isotopen für Krebspatienten herstellt. Den Reaktor hatten noch zu Zeiten der Schah-Herrschaft die USA dem Iran zur Verfügung gestellt.
Das Material, das Argentinien 1993 zum Betrieb des Reaktors geliefert hatte, reicht nur noch etwa ein Jahr. Iran hatte sich deshalb im Juni an die IAEA mit der Bitte um Hilfe bei der Beschaffung neuer Brennplatten gewandt. Die US-Regierung hatte daraufhin, zunächst in Geheimkontakten, das jetzt provisorisch vereinbarte Verfahren vorgeschlagen. Einige iranische Politiker würden es vorziehen, das erforderliche Material auf dem internationalen Markt zu kaufen, ohne gleichzeitig den größten Teil ihrer eigenen Vorräte an schwach angereichertem Uran wegzugeben. Allerdings dürfte das keine realistische Option sein, da Iran unter den jetzigen Verhältnissen keinen Verkäufer finden würde.
Unterdessen hat der vorgeschlagene Deal heftige Aufregung und Empörung bei israelischen Politikern ausgelöst. Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete die geplante Vereinbarung als unzureichend. Die internationale Gemeinschaft müsse ihren Druck auf Iran verstärken, um das Land zu einem vollständigen Verzicht auf jede Form von Urananreicherung zu zwingen. Vizepremier Silwan Schalom sprach am Freitag sogar bei UN-Generalsekretär Ban Ki-mun in New York vor und forderte, dass die internationale Gemeinschaft den Vertragsentwurf der IAEA ausdrücklich verurteilen müsse. Iran sei ohnehin nicht bereit, auf Atomwaffen zu verzichten, sagte Schalom, der der rechten Likud-Partei von Netanjahu angehört. Israel ist das einzige Land des Nahen Ostens, das Atomwaffen besitzt und produziert. Im Gegensatz zu Iran hat es den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet und weigert sich, seine Atomanlagen durch die IAEA kontrollieren zu lassen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 26. Oktober 2009