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Hoffnung für Genf?
Bei den am Mittwoch beginnenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm scheint ein erstes Abkommen möglich.
Russland sieht „sehr gute Chancen“, dass es bei den am Mittwoch beginnenden Gesprächen über das iranische Atomprogramm zu einer Vereinbarung kommen wird. Es gehe jetzt nur noch darum, die beim letzten Treffen in Genf erreichten Übereinstimmungen „korrekt in diplomatische Sprache umzusetzen“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Sonnabend. Zugleich warnte er davor, dem Iran zusätzliche Forderungen aufzwingen zu wollen.
Die dreitägigen Gespräche zwischen Iran und der internationalen Verhandlungsgruppe – bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – waren am Sonnabend vor einer Woche ergebnislos vertagt worden. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte einen gemeinsam von Vertretern Irans und der USA ausgearbeiteten Entwurf mit beleidigenden Ausdrücken als unzureichend abgelehnt. Daraufhin hatte sich US-Außenminister John Kerry mit seinem französischen Kollegen auf eine Reihe von Änderungen verständigt. Diese Neufassung, die anscheinend auch den anderen Mitgliedern der Sechsergruppe tragbar erschien, wurde jedoch – so die Schilderung Lawrows – den Iranern erst „in letzter Minute“ präsentiert, als sich alle Delegationen schon auf die Abreise vorbereiteten. Die iranischen Diplomaten hätten deshalb erklärt, dass sie zunächst Rücksprache mit Teheran halten müssten.
Wegen der zwischen den sieben Staaten vereinbarten Vertraulichkeit der Verhandlungen ist weder über den ersten amerikanisch-iranischen Entwurf noch über die französische Kritik an diesem oder die Neufassung, die in dieser Woche zur Diskussion steht, Zuverlässiges bekannt. Offensichtlich ist nur, dass das Taktieren der französischen Regierung in diesem Streit von massiven wirtschaftlichen Interessen bestimmt wird. Seit der ersten Meinungsumfrage zu diesem Thema im Jahre 1958 war noch nie ein französischer Regierungschef so extrem unpopulär im eigenen Land wie François Hollande. Nur 20 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden. Mit einer Rekordarbeitslosigkeit und einem Einbruch der Exporte konfrontiert, erhoffen Hollande und Fabius sich von einer Konfrontationspolitik gegen Iran wirtschaftliche Vorteile sowohl in Israel als auch in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Hollande ist am Sonntag zu einem seit langem geplanten Staatsbesuch in Israel eingetroffen, bei dem er von rund 40 Spitzenmanagern französischer Unternehmen begleitet wird.
Die Regierung in Paris ist derzeit Israels „bestes Pferd im Stall“, wenn es um Störmanöver gegen eine Verständigung mit dem Iran geht. Dagegen sind im US-Kongress, der jahrelang Motor einer aggressiven Iran-Politik war, die Meinungen gegenwärtig geteilt. Viele wichtige Parlamentarier aus beiden großen Parteien scheinen geneigt, den Bitten ihrer Regierung zu folgen und in der nächsten Zeit auf eine Zuspitzung der Konfrontation durch neue Sanktionen zu verzichten. Die größte Überraschung ist, dass der republikanische Senator John McCain, der meist als Oberscharfmacher agiert, sich öffentlich auf die Seite der Abwarter gestellt hat. „Ich bin skeptisch, was die Gespräche mit Iran angeht, aber bereit, der Obama-Administration ein paar Monate Zeit zu geben.“
Der Kampf gegen ein Abkommen mit dem Iran könnte für Israel und seine Lobby die zweite große Niederlage in kurzer Zeit werden, nachdem es ihnen vor einigen Monaten nicht gelang, die US-Regierung zu Kriegshandlungen gegen Syrien zu treiben. Entschieden ist diese Auseinandersetzung aber noch keineswegs, da andererseits auch viele prominente Senatoren und Abgeordnete vehement darauf drängen, möglichst schnell zusätzliche scharfe Sanktionen gegen Iran zu verhängen. Unter ihnen ist nicht nur der republikanische Senator Lindsey Graham, mit dem McCain normalerweise ein Duo bildet, sondern auch der Demokrat Bob Menendez, der den Vorsitz im einflussreichen Außenpolitischen Ausschuss des Senats führt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 18. November 2013