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Genfer Abkommen in Gefahr
US-Außenminister Kerry stellt dem Iran ultimative Maximalforderungen und droht wieder mit Krieg.
Die US-Regierung entfernt sich immer weiter vom Genfer Abkommen, durch das der internationale Streit um das iranische Atomprogramm gelöst werden soll. Außenminister John Kerry forderte am Freitag beim Weltwirtschaftsforum in Davos, dass Teheran „außerhalb jeden Zweifels beweisen“ müsse, dass es nicht die Absicht habe, Atomwaffen zu entwickeln.
Nach den Gesetzen der Logik kann das Nichtbestehen einer Absicht gar nicht zweifelsfrei bewiesen werden. Kerry erläuterte jedoch, was er in Wirklichkeit praktisch meint: Iran dürfe die Anreicherungsanlage in Fordo, die während des vor einer Woche in Kraft getretenen sechsmonatigen Moratoriums still liegt, nie wieder in Betrieb nehmen. Die Anlage befindet sich in stark befestigten Bunkern rund hundert Meter unterhalb eines Bergmassivs und kann mit konventionellen Waffen kaum erfolgreich angegriffen werden. Wer friedliche Absichten habe, brauche keine „Anlagen im Schutz der Dunkelheit in den Tiefen eines Berges“, dozierte Kerry – und vergaß zu erwähnen, dass der Iran ständigen Kriegsdrohungen der USA und Israels ausgesetzt ist.
Iran brauche auch den Schwerwasserreaktor in Arak nicht, behauptete Kerry in Davos. Dieses Atomkraftwerk befindet sich noch im Bau und sollte nach bisheriger Planung frühestens im Sommer dieses Jahres fertiggestellt werden. Gegenwärtig ruhen dort während des Moratoriums die Arbeiten. Aber weder die Schließung von Fordo noch der Verzicht auf Arak sind Teil des Genfer Abkommens.
Möglicherweise steht Kerry unter dem Einfluss einer Studie, die das Institute for Science and International Security, abgekürzt ISIS, am 15. Januar veröffentlichte. Dort wird neben dem Verzicht auf Fordo und Arak auch gefordert, dass der Iran von seinen etwa 20.000 Gaszentrifugen, mit denen zur Zeit die Anreicherung betrieben wird, nur noch 4.000 behalten dürfe. US-Regierungsvertreter sprechen immer öfter davon, dass Irans Atomprogramm oder zentrale Teile davon - die Unterscheidung ist nicht präzise - „demontiert“ werden müssten. Der iranische Außenminister Mohammad Jawad Zarif hat diesen Sprachgebrauch kürzlich in einem Interview mit dem US-Sender CNN kritisiert und darauf hingewiesen, dass das entsprechende Wort (englisch: dismantle) im Genfer Abkommen weder direkt noch dem Sinne nach vorkommt.
Einen Tag vor seiner Rede in Davos hatte Kerry wieder einmal mit dem Säbel gerasselt und bekräftigt, dass gegen Iran nach wie vor „alle Optionen auf dem Tisch“ seien, was eine verharmlosende Umschreibung für den Einsatz kriegerischer Gewalt ist. Anlass bot ihm ein Interview mit dem in den Vereinigten Emiraten ansässigen Sender Al-Arabija. Der Außenminister hielt dabei offen, was genau einen Militäreinsatz gegen Iran auslösen könnte.
Die iranischen Reaktionen waren entsprechend schroff. Der stellvertretende Stabschef der regulären Streitkräfte, Brigadegeneral Sejjed Masud Jazajeri, sagte, dass im Fall eines Angriff die „US-Interessen“ in der Region – damit sind vor allem Militärstützpunkte gemeint - „vollständig zerstört“ würden. Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Generalmajor Mohammad Ali Jafari, gab sich kampflustig: „Herr Kerry soll wissen, dass die direkte Schlacht mit den USA der größte Traum der frommen und revolutionären Menschen überall auf der Welt ist. Ihre Drohungen bieten unseren revolutionären Menschen die beste Gelegenheit.“
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. Januar 2014