KNUT MELLENTHIN

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Gefährliches Spielzeug

Au weia, schon wieder ein iranisches Dementi! Am Montag empörte sich die Nachrichtenagentur Fars in ihrem englischen Dienst, dass israelische und andere westliche Medien dem Außenminister Mohammad Jawad Zarif fälschlich die Äußerung zugeschrieben hätten, der Holocaust dürfe sich niemals wiederholen und „die Vernichtung der Juden durch das Nazi-Regime“ sei „tragisch und grausam“ gewesen. Zarif habe dies „kategorisch verneint“.

Die Agentur berief sich bei dieser unglaublich klingenden Meldung auf angebliche mündliche Mitteilungen des stellvertretenden Außenministers Hassan Qaschqawi. Der wiederum habe am Telefon mit Zarif darüber gesprochen und eine entsprechende Auskunft bekommen.

Schaut man genauer hin und prüft den Kontext, so hat Fars offenbar – möglicherweise absichtlich - zwei ganz verschiedene Dinge miteinander vermengt. Die Sätze über den Holocaust fielen in Zarifs Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz – und es gibt bisher erfreulicherweise keine Indizien, dass der Außenminister sich davon nachträglich distanzieren will. Das von Qaschqawi übermittelte Dementi scheint sich nur auf politische Bemerkungen zu beziehen, die in einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender Phoenix gefallen sein sollen. Angeblich hatte Zarif dort eine Anerkennung Israels nicht ausgeschlossen, sofern „das Palästinenserproblem“ zufriedenstellend, das heißt: für die Palästinenser akzeptabel, gelöst werde. Bisher liege aber noch kein Vorschlag für eine solche Lösung auf dem Tisch.

Was Zarif dem Sender in Wirklichkeit zu diesem Thema gesagt haben will oder soll, ging aus der Fars-Meldung nicht hervor und war auch einen Tag später noch völlig offen. Stattdessen berichtete die Agentur am Dienstag ausführlich über einen iranischen Parlamentarier, der Zarif „wegen seiner jüngsten Äußerungen zu Israel kritisiert“ habe. Diese widersprächen der offiziellen Haltung Irans, so der Abgeordnete Ebrahim Aqa Mohammadi laut Fars.

Seit dem Regierungswechsel im August vorigen Jahres haben iranische Medien das Dementi als neues Spielzeug entdeckt. Sie können damit aber offensichtlich noch nicht umgehen. Fast nie kommt der Einspruch direkt von der Person, die angeblich falsch zitiert worden sein soll. Und niemals wird die Behauptung, irgendetwas sei „unwahr und ohne Basis“, mit einer Darstellung des angeblich wahren Sachverhalts, geschweige denn mit brauchbaren Beweisen, verbunden.

Der deutsche Völkermord an den Juden scheint vor diesem Hintergrund für manche iranischen Journalisten ein spezielles Problem zu sein. Im September 2013 polemisierte Fars tagelang in äußerst aggressiver Form gegen die bekannte, aus dem Iran stammende US-Journalistin Christiane Amanpour, weil sie ein Interview mit Präsident Hassan Rouhani „gefälscht“ habe. Am Ende reduzierte sich der Streit im Wesentlichen darauf, dass er das Wort „Holocaust“ nicht gesagt habe. Der Präsident, den es direkt anging, schwieg dazu. Das stimmt nicht optimistisch.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. Februar 2014