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EU und USA fordern radikale Sanktionen gegen Iran
Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats wollen am heutigen Freitag die Beratungen über Sanktionen gegen den Iran aufnehmen. Als Mitglied des EU-Trios ist Deutschland wieder mit von der Partie.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben am Dienstag einen gemeinsamen Resolutionsentwurf vorgelegt. In den Medien werden anonyme "diplomatische Kreise" zitiert, die diesen Schritt als Ausdruck von Meinungsverschiedenheiten zwischen US-Amerikanern und Europäern interpretieren. Der US-Regierung erscheine der europäische Entwurf zu weich, wird behauptet. US-Diplomaten haben angeblich angekündigt, dass die Amerikaner bei den Beratungen eine Reihe von Verschärfungen fordern werden.
In Wirklichkeit handelt es sich jedoch offenbar nur um ein Spiel mit verteilten Rollen, das es erleichtern soll, die Zustimmung Russlands und Chinas zu den Sanktionen zu erreichen. Der Entwurf des EU-Trios gewinnt auf diese Weise scheinbar einen Kompromiss-Charakter, obwohl er deutlich härter ist als alles, was noch vor wenigen Wochen als gemeinsame amerikanisch-europäische Position gehandelt worden war. Bis vor kurzem schien nämlich klar zu sein, dass die Sanktionen angesichts des Widerstands von Russland und China zunächst auf niedrigster Stufe gehalten werden würden. Was das EU-Trio jetzt fordert, reizt jedoch fast total aus, was unterhalb von Wirtschaftssanktionen, die direkt die iranische Bevölkerung treffen würden, überhaupt möglich ist.
Alles, was auch nur entfernt dem zivilen iranischen Atomprogramm dienen könnte - einschließlich technischer Unterstützung, Ausbildung, Finanzierung und Investitionen, soll unter den Bann der Sanktionen fallen. Damit in Zusammenhang stehende Auslandsguthaben sollen beschlagnahmt werden. In der Praxis würden die Bestimmungen ausreichen, um den gesamten Finanztransfer Irans mit dem Ausland lahm zu legen, wie es die US-Regierung anstrebt. Alle Iraner, die mit dem Atomprogramm zu tun haben, sollen weltweit Reiseverbot erhalten.
Darüber hinaus soll die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) bis auf wenige Ausnahmen (insbesondere im medizinischen Bereich) die Kooperation mit Iran einstellen, zu der sie gegenüber jedem Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags (NPT) verpflichtet ist. Diese Maßnahme zielt offenbar darauf ab, Iran zum Austritt aus der IAEA, wenn nicht sogar zur Aufkündigung des NPT zu provozieren.
Bei den angeblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen EU-Trio und USA soll es vor allem um das Atomkraftwerk Buschehr gehen, an dem russische Unternehmen nun schon seit zehn Jahren bauen und dessen Fertigstellung immer wieder neu verschoben wird. Aktueller Stand ist, dass Russland zugesagt hat, das AKW könne Ende nächsten Jahres in Betrieb genommen werden. Der europäische Resolutionsentwurf sieht vor, dass die Bauarbeiten in Buschehr von dem generellen Verbot jeder Mitwirkung am iranischen Atomprogramm ausgenommen werden. Keinesfalls soll Russland aber im kommenden Jahr nuklearen Brennstoff für das Kraftwerk liefern würden. Russland müsste also definitiv vertragsbrüchig werden, und die Fertigstellung des AKW wäre für Iran wertlos. Angeblich geht das aber der US-Regierung noch nicht weit genug; sie verlangt den Ausstieg Russlands aus dem Projekt.
In einem ersten Kommentar sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow,
der europäische Entwurf entspreche nicht den Positionen, die zwischen den
ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates vereinbart wurden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. Oktober 2006