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Ein erster Schritt
Iran macht im Genfer Abkommen weitgehende Zugeständnisse. Die versprochenen Sanktionserleichterungen fallen dagegen mager aus.
Im Streit um das iranische Atomprogramm, der von US-amerikanischer und israelischer Seite seit über zehn Jahren mit Kriegsdrohungen geführt wird, scheint eine Atempause einzutreten. Iran und die Sechsergruppe – bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – einigten sich in der Nacht zum Sonntag nach einem viertägigen Verhandlungsmarathon auf den Wortlaut eines befristeten Zwischenabkommens.
Während die Gespräche bisher streng vertraulich geführt worden waren und auch wirklich kaum Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, haben gestern sowohl die USA als auch der Iran den Inhalt der Vereinbarung publiziert. Im Wesentlichen stimmen die Darstellungen überein, können also als zuverlässig angenommen werden.
Das in der Schweizer Stadt Genf ausgehandelte Abkommen mit dem Titel „Gemeinsamer Aktionsplan“ besteht aus drei Teilen: einer Präambel, einem aktuellen Maßnahmenkatalog („Elemente für einen ersten Schritt“) und einer Absichtserklärung für eine noch zu erörternde endgültige Gesamtlösung. Die aktuellen Maßnahmen beider Seiten haben vorläufigen Charakter. Sie gelten zunächst für ein halbes Jahr und könnten anschließend bei gegenseitigem Einvernehmen verlängert werden. Die Gesamtlösung soll in längstens einem Jahr ausgehandelt sein.
Nach einer Einigung mit dem EU-Trio – Frankreich, Großbritannien und Deutschland - im Oktober 2003 hat Teheran somit zum zweiten Mal einem Moratorium zugestimmt. Für die Zeit seiner Geltungsdauer wird Iran die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen und die Anreicherung auf 3,5 Prozent auf ihrem gegenwärtigen Stand einfrieren. Das bedeutet: Keine Installation zusätzlicher Gaszentrifugen, die für die Anreicherung benötigt werden. Keine Inbetriebnahme von zwar installierten, aber derzeit nicht genutzten Zentrifugen-Reihen. Beschränkung der Zentrifugen-Produktion auf die Ersetzung von schadhaften Geräten.
Iran hat außerdem zugesagt, die Bauarbeiten am Schwerwasserreaktor Arak, dessen Fertigstellung für Sommer 2014 geplant war, zu unterbrechen. Die Überwachung des Moratoriums erfolgt durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die nun auch regelmäßige Inspektionen in Anlagen außerhalb ihres Kompetenzbereichs vornehmen darf. Dazu gehören die Produktionsstätten für Zentrifugen und Irans Uranminen.
Im Gegenzug verspricht die Sechsergruppe, während des Moratoriums keine neuen Sanktionen zu beschließen. Die US-Regierung hat für diese Zeit eine Lockerung einiger von ihr verhängter Strafmaßnahmen zugesagt, deren Gesamtwert sie in ihrer Pressemitteilung vom Wochenende weit übertrieben auf 7 Milliarden Dollar im Halbjahr berechnet. Gleichzeitig macht das Weiße Haus darauf aufmerksam, dass Iran durch die fortbestehenden Sanktionen pro Monat 6 Milliarden allein an Einnahmen aus dem Ölexport verliert.
Die israelische Regierung setzt ihre scharfe Polemik gegen jede Einigung mit dem Iran fort und erklärte sofort, dass sie sich an das in Genf ausgehandelte Abkommen nicht gebunden fühle. Zahlreiche prominente Kongressmitglieder, die traditionell der Pro-Israel-Lobby verbunden sind, haben in ersten Stellungnahmen gleichfalls die Vereinbarung angegriffen und neue Sanktionen angekündigt. Es wird sich dabei aber vermutlich nur um Vorratsgesetze für den Fall eines Scheitern des Moratoriums handeln.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 25. November 2013