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Die Würfel sind geworfen
Sechs Tage vor dem geplanten Treffen in Genf zwischen Vertretern des Iran und der Sechsergruppe aus USA, Russland, China und dem EU-Trio steht das Scheitern dieser Begegnung bereits fest. Die von den Regierungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens am Freitag losgetretene verlogene Propaganda-Kampagne gegen eine angebliche iranische Geheimanlage hat das „Fenster der Gelegenheit“ mit einem lauten Knall zugeschmettert. Triumphierend sprechen westliche Politiker davon, dass nach dieser „Enthüllung“ wahrscheinlich auch Russland und China nicht mehr umhin können, mit ins Boot zu steigen, soll heißen: einer qualitativ neuen Stufe „lähmender“ (englisch: crippling) Sanktionen zuzustimmen.
Gedacht ist, den bisherigen Ankündigungen zufolge, hauptsächlich an ein weltweites Verbot, Raffinerieprodukte wie Benzin in den Iran zu exportieren. Das Land hängt aber von diesen Lieferungen nur zu ungefähr 50 Prozent ab. Es würde Engpässe durch die schon eingeleitete Rationierung des privaten Benzinverbrauchs und durch den Ausbau seiner eigenen Kapazitäten überwinden können. Selbst eine Seeblockade, die den Iran daran hindern könnte, den Hauptdevisenbringer Erdöl zu exportieren, würde die Bevölkerung und die Führung des Landes nach aller Erfahrung nicht zur Kapitulation bewegen. Der Irak, der nach dem ersten Golfkrieg in einer viel schlechteren wirtschaftlichen Situation war als der Iran, war selbst nach zwölf Jahren härtester Sanktionen – 1991 bis 2003 – weit davon entfernt, in die Knie zu gehen. Das war ein wesentlicher Grund für die Kriegsentscheidung der USA.
Es kommt hinzu: Zwölf Jahre Sanktionen gegenüber dem Iran, von dem eine sehr effektive Propagandamaschine behauptet, er werde schon in einem Jahr oder zweien, spätestens aber 2015 Atomwaffen besitzen, wären absolut unvorstellbar. Die führenden Politiker des Westens sind längst Gefangene ihrer eigenen Lügen, die eine vernunftsgemäße Einigung mit dem Iran gar nicht mehr zulassen würden, selbst wenn der eine oder andere, vielleicht sogar Barack Obama als Oberhaupt der westlichen Allianz, die notwendige Einsicht aufbringen würde.
Verschärfte Sanktionen gegen Iran, die mit tödlicher Sicherheit noch vor Jahresende beschlossen werden, nötigenfalls auch ohne Russland und China, sind die Vorhölle zum Krieg. Ihr wichtigster Zweck besteht darin, Iran als angeblich größte Bedrohung der heutigen Welt zu stigmatisieren und so weit wie möglich international zu isolieren. Die Sanktionen sind der Ersatz für die fehlenden Nachweise der Existenz eines iranischen Atomwaffenprogramms. Alle maßgeblichen Teheraner Politiker erklären immer und immer wieder, dass sie Atomwaffen für ethisch absolut unvertretbar und für militärpolitisch verfehlt halten. Unter den Regierungen der Welt steht Iran damit ziemlich allein da. Macht nichts: Für den Westen ist das nur ein Kriegsgrund mehr.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. September 2009