KNUT MELLENTHIN

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Der Lohn der Angst

In iranischem Gewahrsam hatten die meisten der im Persischen Golf festgenommenen 15 britischen Marinesoldaten durch ihre Bereitwilligkeit verblüfft, mit den Iranern zu kooperieren, vor laufenden Kameras Geständnisse über die Verletzung der Seegrenze abzulegen und die nicht nur korrekte, sondern geradezu freundliche Behandlung durch ihre "Gastgeber" zu loben.

Colonel Bob Stewart, der sich vor einigen Jahren als Kommandant britischer "Friedenstruppen" in Jugoslawien einen Namen machte, sprach vermutlich für viele seiner Landsleute, nicht nur in militärischen Kreisen, als er nach der Freilassung der 15 in einem BBC-Interview das Verhalten der Soldaten taktvoll, aber deutlich kritisierte: "Früher pflegte man bei uns nicht viel zu sagen, wenn man in Gefangenschaft geriet - den Namen, den Rang, die Dienstnummer, das Geburtsdatum. Ich weiß, dass sich einiges geändert hat, und ich weiß auch, dass sie keine Kriegsgefangenen waren. Aber es beunruhigt mich doch ein bisschen." - Andere sprachen mit weniger vornehmem Understatement von "Würdelosigkeit".

Ministerpräsident Anthony Blair hatte noch während der Gefangenschaft der 15 zweifelsfrei festgestellt, dass alle Äußerungen unter extremem Druck, um nicht zu sagen unter Martern und Foltern, zustande gekommen waren. Es war danach vorauszusehen, dass die Soldaten dieses Urteil von höchster Stelle - sieht man einmal von der sich in Schweigen hüllenden Queen ab - bestätigen würden, sobald sie wieder Heimatboden unter den Stiefeln hatten. Erstaunlich und bemerkenswert ist lediglich, dass Regierung und Armeeführung nach der Landung der 15 in London-Heathrow mehr als 24 Stunden Zeit brauchten, bevor sie am Freitagnachmittag sieben der Soldaten in einer Pressekonferenz vorführten und zwei von ihnen eine schriftliche Erklärung verlesen ließen.

Am Tag zuvor waren die Soldaten von Heathrow aus mit Hubschraubern zum Marinestützpunkt Chivenor geflogen worden. Dort gab es eine erste kurze, nichtssagende Präsentation für die Medien. Lieutenant Felix Carman verlas im Namen der 15 eine Stellungnahme, die im Wesentlichen aus Danksagungen an die britische Öffentlichkeit bestand und mit keinem einzigen Wort auf die Geständnisse einging. Anschließend hatten die Ex-Gefangenen kurz Gelegenheit, Verwandte zu begrüßen, die nach Chivenor gekommen waren, bevor sie in eine stundenlange harte Klausur genommen wurden.

Was sich wirklich in iranischer Gefangenschaft abgespielt hat, wird man vermutlich nie mit letzter Sicherheit verfahren. Völlig sicher ist hingegen, dass jeder Soldat, der jetzt nicht alle seine Äußerungen widerrufen hätte, am Ende seiner beruflichen Laufbahn angekommen wäre. Und mehr als einen schlecht bezahlten Job als Hilfsarbeiter würden die meisten von ihnen kaum bekommen. Hinzu kommt der private und gesellschaftliche Aspekt: Die mehr oder weniger explizite Ächtung als "Verräter", das Abrücken von Verwandten und Freunden.

Um den 15 Gefangenen ihre Erzählungen zu versüßen und sie zum Sprechen zu "ermutigen", hat die militärische Führung ihnen eine Ausnahmegenehmigung erteilt, für ihre Interviews mit den Medien Geld zu kassieren. So etwas war Soldaten bisher strikt verboten. Der Ärger und die Kritik in der britischen Bevölkerung sind entsprechend groß. Als erste hat die einzige Frau unter den 15 ihre Geschichten an die Sun - das Gegenstück zur Bild-Zeitung - und an einen Fernsehsender verkauft. Der Lohn der Angst beträgt angeblich 150.000 Pfund, rund 230.000 Euro.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 10. April 2007