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Denkpause
Kein Abbruch der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, aber auch keine Vereinbarung eines weiteren Treffens.
Die Moskauer Gespräche zwischen Vertretern Irans und der Sechsergruppe – USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Russland und China – wurden am Dienstagabend ohne Annäherung der Standpunkte beendet. Schon am Nachmittag schien ein vorzeitiger Abbruch zu drohen, der aber durch bilaterale Einzelgespräche abgewendet werden konnte.
Die Sprecherin der Sechsergruppe, EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, bezeichnete die Verhandlungen anschließend in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem iranischen Chefunterhändler Said Dschalili als „detailliert, hart und freimütig“. Nach wie vor seien die Positionen der beiden Seiten aber weit voneinander entfernt. Mit den Worten „Iran hat die Wahl“ und „Iran muss sich entscheiden, ob es eine diplomatische Lösung will“, machte Ashton zugleich deutlich, dass die Sechsergruppe nicht bereit ist, sich zu bewegen.
Auch Dschalili lobte das Treffen als „konstruktiv“. Die Diskussionen seien „direkter, ernsthafter und realistischer“ gewesen als bei der vorausgegangenen Verhandlungsrunde am 23. und 24. Mai in Bagdad. Iran werde aber von seinem „absoluten Recht“ auf die Anreicherung von Uran zu friedlichen Zwecken nicht abgehen.
Sowohl in den USA als auch im Iran gab es vor dem Treffen gewichtige Stimmen, die Verhandlungen zu beenden oder zumindest eine längere „Denkpause“ einzulegen, falls es in Moskau nicht zu wesentlichen Zugeständnissen der Gegenseite kommen würde. Die Vertreter der sieben Staaten vereinbarten vor diesem Hintergrund keinen neuen Termin für ein Treffen. Stattdessen sollen am 3. Juli „technische Experten“ beider Seiten in Istanbul zusammenkommen, „um das Verständnis der iranischen Position zu vertiefen“, wie Ashton sich ausdrückte. Auf Grundlage der Ergebnisse will sie dann mit Dschalili erörtern, ob sich eine weitere Verhandlungsrunde lohnt. Zuvor wird am 1. Juli der von der EU bereits im Januar vereinbarte Öl-Boykott gegen Iran in Kraft treten. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass er schon jetzt zu 85 Prozent wirksam ist.
Indessen dementierten Syrien und Russland am Dienstag Berichte über ein angeblich geplanten Großmanöver, an dem außer diesen beiden Ländern auch China und Iran teilnehmen sollten. Diese Meldungen seien „ohne jeden Bezug zur Realität“ und „nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein“, erklärte eine Sprecherin des syrischen Präsidenten. Das gehöre zu den „Lügengeschichten, die über Syrien verbreitet werden“. Ein Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums sprach von „Provokationen“, mit denen „die Lage in Syrien weiter angeheizt werden soll“.
Die Falschmeldung war zuerst auf einer obskuren syrischen Website in arabischer Sprache, Sham Life, erschienen und dann von der iranischen Nachrichtenagentur Fars sowie später auch von anderen Medien des Landes weiterverbreitet worden. Angeblich soll „die größte gemeinsame Kriegsübung“, die es jemals im Mittelmeer gab – so die Überschrift der Fars-Meldung – unter Beteiligung von 90.000 Soldaten aus Allen vier Ländern in etwa zwei Wochen stattfinden. China wolle zwölf Kriegsschiffe entsenden, Russland „Atom-U-Boote und Kriegsschiffe, Flugzeugträger und Minensuch-Zerstörer“ schicken. Außerdem würden 400 Kampfflugzeuge und 1.000 Panzer teilnehmen.
Iranische Medien sind dafür bekannt, oft Gerüchte unkritisch zu übernehmen, ohne dass anscheinend über die politischen Folgen nachgedacht wird.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 21. Juni 2012