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Atomstreit: Neue Kompromiss-Vorschläge. Aber Bush und Merkel sind dagegen.
Iran ist nach wie vor jederzeit zu "fairen, gleichberechtigten" Verhandlungen über sein ziviles Atomprogramm bereit. Das bekräftigte Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Sonntag in einer Rede vor Hunderttausenden Menschen in Teheran, die auch direkt im Fernsehen übertragen wurde. Anlass war der Abschluss der zehntägigen Feiern zum 28. Jahrestag der "Islamischen Revolution" von 1979, durch die das mit den USA verbündete Schah-Regime gestürzt wurde. Obwohl die Regierung in Teheran durch einen Parlamentsbeschluss bevollmächtigt ist, die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu "überprüfen", erteilte Ahmadinedschad Allen Spekulationen über einen Ausstieg aus der IAEA oder gar aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) eine klare Absage. Iran werde sich aber nicht der "erniedrigenden" Forderung des Westens unterwerfen, als Vorbedingung für Verhandlungen auf die zivile Uran-Anreicherung zu verzichten, zu der er nach dem NPT zweifelsfrei berechtigt ist.
Als Zeichen des guten Willens hat Iran dieser Tage der von der IAEA geforderten Installation zusätzlicher Überwachungskameras in der Anreicherungsanlage bei Natanz zugestimmt. Es geht dabei um eine Halle, in der künftig Zentrifugen zur Uran-Anreicherung aufgestellt werden sollen. Nach dem Durchführungsprotokoll zum NPT müsste Iran die Kameras dort erst zulassen, wenn es tatsächlich mit der Anreicherung beginnt.
Ebenfalls am Sonntag hat auch Ali Laridschani, der für die internationalen Atomverhandlungen zuständige Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Interesse seines Landes bekundet, alle bestehenden Probleme, einschließlich des Atomstreits, durch Dialog und Kompromisse zu klären. Als mögliche Lösung wies Laridschani auf einen Vorschlag US-amerikanischer Wissenschaftler hin: Iran könnte sich damit begnügen, Zentrifugen einzusetzen, die nur eine sehr niedrige Uran-Anreicherung erlauben. Für die Produktion von AKW-Brennstäben wird Uran auf 4 bis 5 Prozent angereichert, für Atomwaffen hingegen auf über 80 Prozent.
Gleichzeitig kursierten in Zusammenhang mit der Münchner Konferenz Gerüchte über einen angeblichen Kompromissvorschlag der Schweiz und einiger anderer europäischer Staaten. Danach könnte es dem Iran für die Dauer der Verhandlungen über eine Gesamtlösung gestattet werden, seine derzeit bestehende Versuchsanlage mit zwei Ketten von je 164 Zentrifugen weiter zu betreiben. Allerdings müssten die Iraner darauf verzichten, damit tatsächlich gasförmiges Uran anzureichern.
Die meisten politischen Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die US-Regierung weder einen dieser beiden Kompromissvorschläge noch irgendeinen anderen akzeptieren wird. Washington besteht darauf, dass Iran als Vorbedingung für Verhandlungen auf alle mit der Anreicherung verbundenen Arbeiten verzichten muss - in der sicheren Erwartung, dass Teheran darauf keinesfalls eingehen wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte in München mit markigen Worten die amerikanische Konfrontationslinie: Iran müsse sich der Verzichtsforderung "ohne Wenn und Aber, ohne Tricks" unterwerfen. "Wir alle sind entschlossen, eine Bedrohung durch ein militärisches Atomprogramm des Iran zu verhindern", sagte Merkel - und unterstellte damit wieder einmal etwas, für das es nach den Erkenntnissen der IAEA keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn Beweise gibt. Dass die Alternative zum Kompromiss in diesem Fall nur Krieg heißen kann, verschwieg die Kanzlerin wohlweislich.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 12. Februar 2007