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Atomstreit: Chancen für eine Einigung
Im Streit um das Atomprogramm des Iran zeichnet sich eine Annäherung ab. Nach Gesprächen am Sitz der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien legte deren Generalsekretär Mohamed ElBaradei am Mittwoch einen Entwurf vor, der die zwischen den Delegationen Irans, Russlands, Frankreichs und der USA erreichte Übereinstimmung fixieren soll. Die Vereinbarung bedarf jedoch noch der Zustimmung durch die vier Regierungen.
Den bisherigen Veröffentlichungen zufolge ist vorgesehen, dass Iran einen erheblichen Teil – 75 oder sogar 80 Prozent - seiner Vorräte an schwach angereichertem Uran nach Russland bringen lässt. Dort soll das Uran, das jetzt einen Grad von ungefähr 3,5 Prozent hat, auf 19,75 Prozent angereichert werden. Anschließend soll es zur Weiterverarbeitung in Metallplatten nach Frankreich transportiert werden. Iran benötigt diese zum Betrieb eines Versuchsreaktors, der noch zur Zeit des Schah von den USA geliefert wurde und Isotopen für medizinische Zwecke herstellt. Das Material, das Argentinien 1993 zum Betrieb des Reaktors geliefert hatte, reicht nur noch etwa ein Jahr.
Sollten die beteiligten Regierungen einer Einigung auf dieser Grundlage zustimmen, wäre zunächst ein großer Teil der schwach angereicherten Uran-Bestände des Iran aus dem Spiel. Damit entfiele für einen Zeitraum von ungefähr anderthalb Jahren die sachlich ohnehin irreale Angstmache, dass Iran seine Vorräte weiter anreichern könnte, um waffenfähiges (mindestens 90prozentiges) Uran zu erhalten. Es handelt sich dabei allerdings ohnehin nur um eine Propagandafiktion, da 1. alle iranischen Vorräte unter Kontrolle der IAEA sind, 2. Iran nach vorherrschender Ansicht nicht die technischen Voraussetzungen zur Hochanreicherung besitzt, und Iran 3. die Produktion von Atomwaffen sowohl aus ethischen und religiösen wie auch aus verteidigungspolitischen Gründen ablehnt.
Die sich abzeichnende partielle und zeitweise Einigung beseitigt jedoch nicht den Hauptpunkt des Streits zwischen dem Iran einerseits, USA und EU andererseits: Diese wollen erreichen, dass Teheran vollständig auf Urananreicherung verzichtet und alle damit in Zusammenhang stehenden Produktionsstätten stilllegt. Dazu ist Iran unter Hinweis auf seine Rechte als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags jedoch nicht bereit. Ein Kompromiss könnte vielleicht in einer schon früher von iranischer Seite ins Spiel gebrachten Lösung bestehen: Das gesamte schwach angereicherte Uran könnte jeweils gleich nach der Herstellung unter Kontrolle der IAEA zu Reaktor-Brennstäben verarbeitet werden. Damit wäre das Risiko einer Hochanreicherung vom Tisch, ohne dass Iran die Anreicherung ganz aufgeben müsste.
Unterdessen lancierten israelische Medien am Donnerstag die Meldung, dass es erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 zu einer Begegnung zwischen iranischen und israelischen Diplomaten gekommen sei. Tatsächlich hatten Vertreter beider Länder Ende September an einer internationalen Konferenz in Kairo teilgenommen, bei der es unter anderem um die Perspektive eines atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Ostens ging. Allerdings gab es keine direkte Begegnung zwischen den Diplomaten der beiden verfeindeten Länder. Israelische Regierungsstellen bezeichneten die Meldung als Blödsinn, da regelmäßig irgendwelche Tagungen stattfinden, bei denen Vertreter beider Länder am Tisch sitzen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. Oktober 2009