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Immer noch geheim
Kein Kommentar der Bundesregierung zum Spionage-Satelliten HiROS. Kommt Merkel damit wirklich durch?
Seit über zwei Wochen befindet sich Deutschland im Guttenberg-Taumel. Ein kriegführender Bundesverteidigungsminister, der die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan als Privathobby zu betrachten schien, stolpert über einen erschwindelten Doktortitel. Ist das wirklich ein Grund zur Freude? Stimmen da noch die Relationen, wenn andererseits das Bundeswehr-Massaker von Kundus nahezu vergessen ist und die bedingungslose deutsche Beteiligung an einem zeitlich und geographisch unbeschränkten Weltkrieg „gegen den Terror“ kein Thema von öffentlichem Interesse zu sein scheint?
Vor mehr als zwei Monaten, am 3. Januar, veröffentlichte die norwegische Tageszeitung Aftenposten mehrere Depeschen der Berliner US-Botschaft aus der WikiLeaks-Beute. Es ging darin um Geheimverhandlungen über Pläne für einen militärischen Aufklärungssatelliten namens HiROS, der in Regie des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) betrieben werden sollte. Wie das konservative Blatt an die internen Dokumente gekommen war, ist bis heute nicht bekannt. Jedenfalls gehörte Aftenposten nicht zu den fünf privilegierten Medien, denen WikiLeaks-Chef Julian Assange im Herbst 2010 die rund 250.000 Berichte und Rundschreiben zur amerikanischen Außenpolitik überlassen hatte: die New York Times, der Londoner Guardian, der Spiegel, die französische Le Monde und der spanische El País. Während diese genau zeitgleich am 28. November mit ihren Veröffentlichungen loslegten, meldeten sich die Norweger erst Ende Dezember zu Wort. Die HiROS-Geschichte war ihr erstes großes Thema.
Die deutschen Mainstream-Medien berichteten pflichtgemäß, überwiegend kurz, und erkennbar desinteressiert. Das Dementi des an dem Projekt maßgeblich beteiligten staatlichen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), HiROS sei weder geheim noch militärisch motiviert, wurde kommentarlos wiedergegeben, obwohl es durch die Depeschen eindeutig als unwahr zu erkennen ist. Die massive Beteiligung des BND an den Satelliten-Plänen erweckte in den meisten Redaktionen anscheinend absolut keine Neugier, sondern wurde eher als Signal verstanden, sich mit der ganzen Angelegenheit nicht mehr als unbedingt nötig zu beschäftigen.
Äußerst flau fielen auch die Reaktionen der Politiker aus. Dass Bundesregierung und BND jeden Kommentar zu den Vorgängen kategorisch verweigerten, veranlasste die Oppositionsparteien nicht etwa zu einem empörten Aufschrei und zu tagelangen drängenden Forderungen nach Aufklärung, sondern wurde mit einem geradezu beängstigenden kollektiven Schweigen hingenommen. Aus der Fraktion der Linken im Bundestag ist immerhin zu hören, dass dort derzeit eine parlamentarische Anfrage zur internationalen Zusammenarbeit auf dem Satelliten-Sektor vorbereitet wird, in die auch das HiROS-Projekt integriert sein soll.
Für die Grünen hat angeblich Hans-Christian Ströbele schon im Januar einen Bericht zur Sache im sogenannten Parlamentarischen Kontrollgremiums beantragt, das laut Gesetz die Tätigkeit der deutschen Geheimdienste überwachen soll. Es ist nicht bekannt, ob das inzwischen stattgefunden hat. Über politische Inhalte der Sitzungen erfährt die Öffentlichkeit ohnehin generell nichts, denn: „Die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums sind geheim. Die Mitglieder des Gremiums (…) sind zur Geheimhaltung der Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Parlamentarischen Kontrollgremium bekannt geworden sind.“ - Nur ein mit zwei Dritteln des Gremiums gefasster Beschluss kann die Mitglieder punktuell von dieser Schweigepflicht entbinden. (§ 10 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes).
Seither scheint das Thema HiROS von den Medien überhaupt nur noch einmal aufgegriffen worden zu sein, nämlich am 8. Januar, als der Spiegel plötzlich online behauptete, das Projekt sei gestorben, weil die Regierung es nicht finanziell unterstützen wolle. Diese Entscheidung sei schon im Sommer 2010 gefallen. Die Herkunft der Meldung war allerdings alles andere als transparent und vertrauenserweckend: „nach SPIEGEL-Informationen“ und „in Regierungskreisen“ lauteten die Umschreibungen, die normalerweise Ausdruck eines unsoliden Journalismus sind. Eine offizielle Stellungnahme aus Berlin gab es auch zu diesem Zeitpunkt nicht, aber nicht einmal das konnte die Opposition aus ihrer Lethargie aufschrecken.
Einiges deutet darauf hin, dass die Meldung des Spiegels schlichtweg falsch war. DLR-Sprecher Andreas Schütz sagte in dem erwähnten Dementi, das er am 3. Januar abgab, dass sich HiROS noch in der „Projektphase“ befinde und „der Zeitpunkt der Umsetzung unklar“ sei. Am selben Tag erklärte der Sprecher von OBH-System, Steffen Leuthold, das Projekt sei derzeit in der „Angebotsphase“ und es seien noch keine Entscheidungen gefallen. Das Bremer Unternehmen war den Depeschen zufolge als Hauptauftragnehmer für den Bau der Satelliten im Gespräch.
Selbstverständlich hätte der Spiegel, wenn man dort wirklich gewollt hätte, über die HiROS-Angelegenheit schon mehrere Wochen vor den norwegischen Kollegen exklusiv berichten können. Schließlich hatte das Magazin erheblich früher als die Aftenposten freien Zugriff auf das gesamte WikiLeaks-Material. Um fündig zu werden, musste sich niemand durch hohe Papierstapel in staubigen Archiven wühlen und auf ein paar Nadeln im Heuhaufen hoffen. Alle an dem Deal beteiligten Redaktionen hatten sich von ihren Fachleuten bequeme Suchmaschinen konstruieren lassen, um die Dokumente zu durchforsten. Es hätte lediglich ein Journalist die drei Buchstaben „BND“ eingeben müssen. Stattdessen orientierte sich das Hamburger Nachrichtenmagazin, wenn man aus seinen Veröffentlichungen schlussfolgern darf, fast ausschließlich auf die Suche nach spektakulären Bemerkungen der amerikanischen Diplomaten über Spitzenpolitiker wie Guido Westerwelle, Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg. Auf diese Weise brachte man Westerwelles Büroleiter Helmut Metzner als geschwätzigen Informanten der Amerikaner zur Strecke und enttarnte Gregor Gysi als auch nicht gerade schweigsamen Gesprächspartner von US-Botschafter Philip Murphy.
Unter den von WikiLeaks erbeuteten Dokumente befinden sich 1719 Berichte und Lagebeurteilungen der Berliner US-Botschaft. Nur einen Bruchteil davon hat der Spiegel bisher publizistisch verwertet. Er scheint dabei hauptsächlich nach Stoffen für einen seichten, unterhaltsamen, personalistischen und pseudo-politischen Journalismus gefischt zu haben. Von den HiROS-Depeschen hat das Nachrichtenmagazin sogar nach der Enthüllung der Aftenposten keinen Gebrauch gemacht.
Wundern muss man sich auch über die Betreiber von WikiLeaks, die einmal mit dem Anspruch von Transparenz und Information angetreten waren. Von besagten 1719 Depeschen aus Berlin waren am 2. März erst 56 auf den Websiten der „Enthüllungsplattform“ zu finden. Die von Aftenposten veröffentlichten zehn Berichte zu den HiROS-Verhandlungen und -Gesprächen waren nicht darunter. Insgesamt hatte WikiLeaks an diesem Tag gerade mal 5064 Stücke online gestellt, also ungefähr 2 Prozent des gesamten Materials.
Die bisher bekannt gewordenen HiROS-Berichte beginnen im September 2008 und enden im Februar 2010. Ob das wirklich alle Depeschen sind, die die Berliner US-Botschaft zu diesem Thema nach Washington geschickt hat, oder ob es vielleicht sogar im unveröffentlichten WikiLeaks-Material weitere Geheimdokumente zur Sache gibt, ist nicht bekannt. Eindeutig geht aus einigen Depeschen hervor, dass „Referenzmaterial“ mitgeschickt wurde, das jedoch bisher nicht aufgetaucht ist. Drei der Berichte hat die Aftenposten-Redaktion versehentlich falsch datiert. Das lässt sich anhand des Deklassifizierungsdatums rekonstruieren, das im Kopf der Depeschen angeben ist. Statt 3.9.2009 muss es offenbar heißen 3.9.2008, statt 15.2.2009 ist 14.5.2009 richtig, und das von den Norwegern auf den 5.2.2009 datierte Dokument stammt in Wirklichkeit vom 5.2.2010. Der Deklassifizierungshinweis gibt an, wann ein geheimes oder vertrauliches Papier für die Öffentlichkeit freizugeben ist. Der Zeitraum beträgt bei den meisten Depeschen zu HiROS 10 oder 25 Jahre.
Dass das HiROS-Projekt relativ dicht und ausführlich dokumentiert ist, liegt daran, dass die US-Botschaft in einem erstaunlich großen Umfang direkt in die Gespräche und Verhandlungen einbezogen war. Offensichtlich wurde die Botschaft von Allen Beteiligten, einschließlich des BND, als zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für alle Kontakte zur US-Regierung und zu deren Geheimdiensten akzeptiert und genutzt. Manager deutscher Privatunternehmen ebenso wie des staatlichen DLR rückten einzeln oder mit hochrangigen Delegationen in der amerikanischen Vertretung an, um auf dem Umweg über die Diplomaten die Stimmung in Washington zu beeinflussen. Einzelne, wie der leitende Manager von Astrium Friedrichshafen, Tom oder Thomas Walati, überschritten – wenn man den Depeschen glauben darf – in ihrer Mitteilungsfreudigkeit die Grenzen der Loyalität bei weitem. Da half Walati schließlich auch die Diskretion der US-Diplomaten nicht mehr, die hinter seinen Namen in Klammern ein „please strictly protect“ zu setzen pflegten: Nach der unzensierten Veröffentlichung der Depeschen durch Aftenposten musste der Astrium-Manager angeblich seinen Hut nehmen. Das Unternehmen, für das Walati tätig war, gehört zum deutsch-französischen Konzern EADS – und was er den Berichten zufolge den Amerikanern anvertraute, entsprach ganz und gar nicht den Interessen der französischen Teilhaber.
Wie weit die Depeschen zuverlässig sind, kann ohne zusätzliche Informationen nicht entschieden werden. Die meisten Beteiligten ziehen es jedoch vor, sich in totales Schweigen zu hüllen. Einzig und allein der Vorstandsvorsitzende von OHB-System, Berry Smutny, hat die ihm zur Last gelegten Äußerungen, die nach Bekanntwerden zu seiner sofortigen Kündigung führten, entschieden bestritten. Neben scharfen Attacken gegen die Franzosen, die er angeblich als „Reich des Bösen“ in der Industriespionage gegen Deutschland bezeichnete, soll Smutny auch gegen das europäische Satelliten-Projekt Galileo gelästert haben: Es sei „eine blödsinnige Idee“ und eine „Verschwendung von Geldern der Steuerzahler“, die hauptsächlich französischen Interessen diene, wird der OHB-Chef in einem Bericht vom 22. Oktober 2009 zitiert. Peinlich, da OHB System inzwischen zum Hauptauftragnehmer beim Bau der Galileo-Satelliten avanciert ist.
Abgesehen von den Depeschen ist über die Vorgänge um das HiROS-Projekt so gut wie gar nichts bekannt. Das hat sich auch nach der Veröffentlichung der Dokumente durch Aftenposten nicht geändert. Bundesregierung und BND verweigern jede Auskunft. Daher sind die höhnischen Einwände einiger Internet-„Blogger“, an der ganzen Geschichte sei sowieso nie etwas geheim gewesen, bestenfalls stupid und können als Produkt eitler Besserwisserei beiseite gelegt werden. Wenn allerdings von manchen Autoren gleichzeitig auch noch mit scheinbar felsenfester Überzeugung verbreitet wird, HiROS sei nicht als Spionagesatellit geplan gewesen, ist Anlass zum Misstrauen gegeben. Der BND wäre nicht der erste Geheimdienst, der das Netz mit eigenen „Bloggern“ aufzumischen und zu verwirren versucht.
Das Wort „Spionagesatellit“ kommt freilich in den Depeschen nicht vor, so wenig wie das Wort „Spionage“ überhaupt zum offiziellen Sprachgebrauch von Militär und Geheimdiensten gehört. Spionage betreibt immer nur die Gegenseite. Die korrekte Bezeichnung für HiROS ist also „Aufklärungssatellit“. Dass es bei dem Projekt genau darum geht, ist nach den Botschaftsberichten absolut eindeutig. Zusätzlich interessant ist, dass der BND dieses Erdbeobachtungsprogramm offenbar in eigener Regie betreiben will oder wollte. Während die Bundeswehr mit SAR-Lupe über fünf Aufklärungssatelliten verfügt, besitzt der deutsche Auslandsgeheimdienst bisher keine eigenen „Augen“ im Weltraum. Aus den Depeschen ergibt sich ganz klar das Bild, dass der BND seine Ziele nicht nur teilweise unabhängig vom Bundesverteidigungsministerium, sondern sogar in Konkurrenz zu diesem verfolgt. Offenbar scheuten hochrangige BND-Offiziere sich nicht einmal, die US-Dplomaten über interne Meinungsverschiedenheiten in der Berliner Regierung zu informieren, die man vor der deutschen „Öffentlichkeit“ verborgen hält und die niemals Gegenstand einer Debatte im Bundestag waren.
Welche Ziele des Bundesnachrichtendienstes hinter dem HiROS-Projekt stecken, ergibt sich am deutlichsten aus dem Botschaftsbericht vom 14. Mai 2009, den Aftenposten versehentlich auf den 15. Februar datierte. Dort wird der Inhalt eines Treffens mit Vertretern der NGA wiedergegeben, das am 8. April 2009 stattgefunden hatte und zu dem der BND mit einer hochkarätigen Delegation unter Leitung seines Vizepräsidenten Arndt Freytag von Loringhoven angerückt war. Die NGA – das Kürzel steht für National Geospatial-Intelligence Agency – ist einer der insgesamt 16 US-Geheimdienste, die unter dem Begriff „Intelligence Community“ zusammengefasst werden. Sie untersteht dem Pentagon und ist für das Sammeln und Analysieren von Bildern aus dem Weltraum zuständig.
Wie sich aus dieser und anderen Depeschen ergibt, plante der BND den Bau von drei Satelliten mit der Option und Hoffnung, die US-amerikanische Seite für die Übernahme von drei weiteren zu gewinnen. Die sechs Weltraum-Flugkörper sollten dann ein miteinander verbundenes System bilden. Davon versprach sich der BND Senkung der Kosten, Verminderung der Risiken, „Synergie-Effekte“ und insgesamt eine Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und USA auf diesem Gebiet.
Die drei deutschen Satelliten sollten, das wurde immer wieder klar betont, unter Regie des BND stehen, der auch die Priorität beim Zugriffsrecht auf die Daten für sich beanspruchte. Allerdings wurde kalkuliert, dass der Geheimdienst im Schnitt nur etwa 30 Prozent der Kapazitäten benötigen würde. Der Rest sollte nach Möglichkeit kommerziell vermarktet werden und dadurch einen Teil der Ausgaben wieder einspielen. Zur Täuschung der „Öffentlichkeit“ sollte die führende Rolle des BND verschleiert und das ganze Projekt als rein kommerziell deklariert werden. Dazu heißt es in der Depesche vom 14. Mai 2009: „Um mögliche negative Auswirkungen der Entwicklung von HiROS als Aufklärungssatellit zu minimieren, wird das Programm von einer zivilen Stelle, vielleicht dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, geleitet werden. Aus Gründen der politischen Optik werden die Satelliten selbst von einer 'kommerziellen Einheit' betrieben werden, die speziell zu diesem Zweck geschaffen werden wird. Die Aufgabenstellung wird jedoch vom BND geleitet, kontrolliert und koordiniert werden.“
Zum strategischen Zweck des Projekts führten die BND-Offiziere gegenüber ihren Kollegen von der NGA dem Botschaftsbericht zufolge aus: Der Besitz eigener, nationaler weltraumgestützter Aufklärungssysteme werde Deutschland befähigen, durch das Erbringen einzigartiger und hochwertiger Leistungen ein besserer Partner der USA-Regierung zu werden. Der BND hoffe darüber hinaus, „dass Deutschland durch eine engere Beziehung auf dem Gebiet des Bilderaustausches auch dazu kommt, einige seiner Sammlungslücken zu füllen, indem es Zugang zu US-amerikanischen Aufnahmen vom Iran, Nordkorea, China und vom Haqqani-Netzwerk in der AFPAK-Region – gemeint sind Afghanistan und Pakistan – bekommt“. Außerdem wünsche der BND eine Zusammenarbeit mit der US-Regierung auf dem Gebiet der weltraumgestützten Aufklärung zu „Themen von beiderseitigem Interesse in Afrika“. Dies habe von Loringhoven bei einem Arbeitsessen mit den NGA-Vertretern geäußert. Welche Themen der BND-Vize dabei konkret im Sinn hatte, steht nicht in der Depesche. Offen bleibt auch, wozu derartige Bildersammlungen überhaupt benötigt werden.
Im Gegensatz zu den SAR-Lupe-Satelliten der Bundeswehr, die radargestützte Aufnahmen erzeugen, ist HiROS als optisches System geplant. Beide Formen der Erdbeobachtung haben ihre Vor- und Nachteile gegenüber der jeweils anderen. Die Optik liefert präzisere Bilder als das Radar, ist aber anders als dieses stark vom Wetter und der Tageszeit abhängig. Übereinstimmende Annahme ist deshalb, dass ein radargestütztes System wie SAR-Lupe der Ergänzung durch optisch erzeugte Bilder bedarf, um die besten „Aufklärungsergebnisse“ zu erzielen. Derzeit wird das durch Kooperation und Datenaustausch zwischen SAR-Lupe und den optischen Helios-Satelliten Frankreichs erreicht.
Ein zentraler Zweck des HiROS-Projekts ist der Aufbau einer eigenen, „rein deutschen“, von Frankreich völlig unabhängigen optischen Erdbeobachtungs-Kapazität, mit dem zumindest von den US-Diplomaten vermuteten strategischen Ziel, auf dem Gebiet der Satellitenausrüstungen eine dominierende Position auf dem Weltmarkt zu erreichen. Gleichzeitig enthält dieser Plan aber auch die Option auf eine eigenständige Militärpolitik in globalem Ausmaß. Letztlich würden mit der Realisierung des HiROS-Projekts nicht nur bestehende Kooperationen und Vereinbarungen mit Frankreich ausgehebelt, sondern auch die offiziell angestrebte europäische Zusammenarbeit auf dem Satelliten-Sektor torpediert.
Um so interessanter ist die Frage, wie weit der BND das Projekt und die Verhandlungen mit den Amerikanern – die ganz offensichtlich gegen Frankreich ausgespielt werden sollten – im Auftrag und mit Wissen der Bundesregierung betrieben hat, und wie weit der Bundesnachrichtendienst andererseits als eigenständiger politischer Akteur gehandelt hat. Das gleiche gilt für die führenden Vertreter des staatlichen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die in den Gesprächen über das HiROS-Projekt anscheinend mit dem BND an einem Strang zogen. Zweifellos hat die deutsche „Öffentlichkeit“, und nicht nur ein geheim tagendes Bundestagsgremium, das Recht, über diese Vorgänge vollständig aufgeklärt zu werden. Aber wo Medien und Politiker gar nicht erst fragen, und zwar laut, deutlich und vor allem beharrlich, sind von vornherein keine qualifizierten Antworten zu erwarten.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 3. März 2011