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Erbitterter Konkurrenzkampf
Bei der Entwicklung eines militärischen Aufklärungssatelliten will Deutschland die französische Konkurrenz ausschalten
Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND arbeitet mit US-amerikanischen Partnern an der Entwicklung eines neuen Spionagesatelliten. Das System soll Fotos liefern, auf denen Gegenstände bis zu einer Größe von 50 Zentimetern in hoher Auflösung zu erkennen sind. Außerdem soll das Senden der Bilder deutlich schneller erfolgen als mit der bisherigen Technik. Mit dem Projekt HiROS - die Abkürzung steht für High Resolution Optical System - verfolgt Deutschland nicht nur militärische Ziele, sondern strebt außerdem eine führende Stellung auf dem Weltmarkt für diese Art elektronischer Optik an. Dabei geht es vor allem darum, Frankreich als schärfsten Konkurrenten aus dem Rennen werfen. Deshalb soll HiROS ohne Beteiligung anderer europäischer Staaten ausschließlich in Partnerschaft mit den USA entwickelt werden.
Das alles geht aus acht geheimen Depeschen hervor, die die konservative norwegische Tageszeitung Aftenposten am Montag ins Netz stellte. Sie stammen aus dem WikiLeaks-Material und waren bisher unveröffentlicht. Aftenposten gehört nicht zu den fünf Zeitungen, die einen Deal mit WikiLeaks-Chef Julian Assange abgeschlossen haben, sondern hat sämtliche gut 250.000 Dokumente erst später auf einem bisher nicht erläuterten Umweg erhalten. Im Gegensatz zu den fünf Medien, zu denen das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel gehört, hat das norwegische Blatt zumindest im Fall der HiROS-Depeschen darauf verzichtet, die Namen von Beteiligten unkenntlich zu machen.
Auffällig ist, dass die Spiegel-Redaktion, die vor dem Beginn der Veröffentlichungen Ende November mehrere Wochen Zeit hatte, sich mit dem WikiLeaks-Material vertraut zu machen, diese Depeschen der Berliner US-Botschaft anscheinend nicht bemerkt hat oder sie nicht für erwähnenswert hielt. Möglicherweise hat das etwas mit der Brisanz des Themas zu tun.
Bundesregierung und BND lehnten ab, sich zum Bericht der Aftenposten zu äußern. Als einziger äußerte sich der Sprecher des staatlichen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), das maßgeblich an dem Projekt beteiligt ist: HiROS sei „kein Spionagesatellit“ und „ebenso kein geheimes Projekt“. Es solle beispielsweise dem „Krisenmanagement bei Naturkatastrophen oder wissenschaftlichen Anwendungen“ dienen.
Dass dies Dementi unwahr ist, geht eindeutig aus einer am 14. Mai 2009 als „geheim“ klassifizierten Depesche hervor. Darin wird das Treffen einer hochkarätigen BND-Delegation mit ihren Kollegen von der US National Geospatial Intelligence Agency (NGA) beschrieben, das am 8. April 2009 stattgefunden hatte. Die deutsche Gruppe wurde von BND-Vizepräsident Arndt Freytag Freiherr von Loringhoven geleitet. Auch die Namen aller anderen BND-Vertreter – durchweg Bundeswehroffiziere – stehen in dem von Aftenposten veröffentlichten Dokument. Zu der geplanten Tarnung des militärischen Projekts erklärten die Deutschen dem Bericht zufolge: „Um die politischen Reaktionen auf die Entwicklung von HiROS als nachrichtendienstlicher Satellit so gering wie möglich zu halten, wird das Programm von einer zivilen Stelle, vielleicht dem Ministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI), verwaltet. Aus Gründen der politischen Optik werden die Satelliten von einem speziell für diesen Zweck geschaffenen 'kommerziellen Unternehmen' betrieben werden...“.
Aus den veröffentlichten Depeschen, die allerdings nur bis zum September 2009 reichen, geht ferner hervor, dass sich HiROS zumindest damals noch im Projektstadium befand und nicht einmal die Finanzierung gesichert war.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 5. Januar 2011