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Abfertigung nach Gutsherrenart
Bundesregierung verweigert dem Parlament Informationen über Spionagesatelliten
Die Geheimniskrämerei um den geplanten militärischen Aufklärungssatelliten HiROS geht weiter. Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE geantwortet und dabei das heikle Thema mit Wortklaubereien, Halbwahrheiten und Aussageverweigerung umschifft. Thema der aus 22 Punkten bestehenden Anfrage war: „Internationale Kooperationen zur sicherheitspolitischen Nutzung von Satellitenaufklärung“. Zwei der Fragen beschäftigten sich mit dem HiROS-Projekt. Der ansonsten völlig verschwiegene Sachverhalt war lediglich durch mehrere Berichte der US-Botschaft in Berlin bekannt worden, die bei WikiLeaks gelandet waren und Anfang Januar von der norwegischen Tageszeitung Aftenposten veröffentlicht wurden.
Aus den Depeschen geht hervor, dass sich vor allem der deutsche Auslandsgeheimdienst BND für das Projekt sehr stark gemacht hatte. DIE LINKE wollte nun unter anderem wissen, „mit welchem Inhalt und Ziel Gespräche bzw. Verhandlungen zum System 'Hiros' geführt“ wurden und ob der BND bei seinen „Gesprächen bzw. Verhandlungen“ mit US-amerikanischen Dienststellen im Auftrag der Bundesregierung gehandelt habe. In der am 24. März erteilten Antwort heißt es dazu ausweichend:
„Die Bundesregierung hat nie ein eigenes HIROS-Satellitenaufklärungs-Projekt bzw. Beteiligung an einem solchen Projekt verfolgt und in Folge dessen auch keine Gespräche bzw. Verhandlungen zu HiROS geführt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) hat seine Überlegungen zu einem hochauflösenden optischen Erdbeobachtungsssystem (…) eigeninitiativ an verschiedenen Stellen, u.a. bei US-amerikanischen Unternehmen, vorgestellt. (…) Erste konzeptionelle Vorüberlegungen des Bundesnachrichtendienstes haben keine Planungs- und Haushaltsreife erlangt. Die Vorüberlegungen des Bundesnachrichtendienstes wurden dem DLR, der EADS, der Bundeswehr/BMVg und dem Bundeskanzleramt vorgestellt. Der Bundesnachrichtendienst führte keine Verhandlungen mit US-Stellen bzw. US-Firmen.“
Tatsächlich geht aus den Berliner Botschaftsberichter aber hervor, dass hochrangige Vertreter des BND, darunter der für Aufklärung aus dem Weltraum zuständige Oberst Joachim Trenker, mehrere Gespräche über das HiROS-Projekt mit US-amerikanischen Stellen führten. In der Regierungsantwort kann es sich also nur um Haarspalterei handeln, ob diese Begegnungen „Verhandlungen“ waren oder nicht. DIE LINKE hatte allerdings nach „Gesprächen bzw. Verhandlungen“ gefragt. Gespräche gab es jedenfalls mehrere. Beispielsweise wird in einer Depesche vom 14. Mai 2009 sehr ausführlich über ein Treffen zwischen Vertretern des BND und des für die Weltraum-Aufklärung zuständigen US-Geheimdienstes NGA berichtet, das am 8. April stattgefunden hatte. Zugegen war außer Oberst Trenker unter anderem auch der BND-Vizepräsident Arndt Freytag von Loringhoven.
Die „Vorüberlegungen“ des BND waren zu dieser Zeit konkret genug, um mit den Amerikanern über viele Einzelheiten des Projekts – wie etwa die geplante Zahl und die technischen Daten der HiROS-Satelliten sowie die Kosten des Vorhabens - zu sprechen. Sogar über den geplanten Zeitrahmen - „volle Operabilität“ der Satelliten war für 2014 angestrebt – wurden die Amerikaner informiert. In ihrer Antwort an die LINKE verweigert die Regierung jedoch jede Auskunft zu diesen Punkten. Und die einzige öffentlich zugängliche Informationsquelle, die Depeschen der Berliner US-Botschaft, werde man „nicht kommentieren“.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 30. März 2011