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Pakistan unterbricht Nachschub der NATO-Truppen
Pakistan hat am Dienstag alle Lieferungen für die NATO-Interventionstruppen in Afghanistan über den Khyber-Pass auf unbegrenzte Zeit gestoppt. Über diese Route laufen 75 Prozent des gesamten Nachschubs für das US-Militär, einschließlich 40 Prozent ihres Treibstoffs. Ein großer Teil des kriegswichtigen Treibstoffs kommt jetzt schon aus Russland und wird über das post-sowjetische Zentralasien nach Afghanistan transportiert.
Die Unterbrechung der Lieferungen wird mit einer Offensive gegen Aufständische im Khyber-Bezirk begründet, die am frühen Dienstagmorgen begann. Durch dieses Gebiet in der Nordwestprovinz verlaufen die letzten 50 Kilometer der mehrere hundert Kilometer langen Nachschublinie zwischen dem pakistanischen Hafen Karatschi und dem Grenzkontrollpunkt Torkham.
Der Bezirk ist mit 2.580 qkm so groß wie das Saarland und hat etwa 600.000 Einwohner. Er galt lange Zeit als „ruhig“, der Nachschub war kaum gefährdet – angeblich aufgrund von Schutzgeld-Vereinbarungen mit den einheimischen Stämmen. Seit Anfang 2008 haben Angriffe auf die Konvoys mit NATO-Fracht jedoch sprunghaft zugenommen. Allein im November und Dezember wurden Hunderte von LKWs zerstört. Zahlreiche Fahrer und eine Reihe von Transportunternehmern weigern sich inzwischen unter Hinweis auf die Sicherheitslage, weiter für den NATO-Nachschub zu arbeiten.
Schon einmal in diesem Jahr, im Juni und Juli, war der Khyber-Bezirk Schauplatz einer mehrwöchigen Offensive der pakistanischen Streitkräfte, die aber trotz Erfolgsmeldungen offensichtlich ein Fehlschlag war. Die jetzt begonnene Operation sei „gigantisch“ und werde so lange fortgesetzt, „bis wir unser Ziel erreicht haben“, verkündete Bezirkschef Tariq Hajat am Dienstag. Die Hauptstraße zwischen Peschawar und dem Khyber-Pass sei für den gesamten Verkehr gesperrt. „Der Nachschub für die NATO-Kräfte bleibt unterbrochen, bis wir das Gebiet von Aufständischen und Verbrechern gesäubert haben.“
Das allerdings könnte unabsehbar lange dauern. Ein NATO-Sprecher in Kabul begrüßte dennoch die pakistanische Offensive und war demonstrativ bemüht, die Folgen herunterzuspielen: „Das wird keine größeren Auswirkungen haben, weil es nur vorübergehend ist und wir Vorräte haben. Insgesamt wird es eine gute Sache sein.“
Nach Aussagen von Bezirkschef Hajat sind im Khyber-Bezirk neben den aus Einheimischen rekrutierten Truppen der Nordwest-Grenzprovinz auch Armee-Einheiten mit Artillerie, Panzern und Kampfhubschraubern im Einsatz. Zahlenangaben zur Stärke der Truppen wollte Hajat nicht machen. Schauplatz der Offensive ist zunächst der Distrikt Jamrud, der auf halbem Weg zwischen Peschawar und Torkham liegt. „Wenn erforderlich“, so Hajat, werde der Feldzug auch auf die anderen zwei Distrikte des Khyber-Bezirks ausgedehnt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 31. Dezember 2008